111 Gründe, klettern zu gehen

Der Dichter und wilde Bergsteiger Ludwig Hohl liess nur einen Grund gelten, klettern zu gehen: Um dem Gefängnis zu entrinnen. Malte Roeper erweitert das Repertoire des letztlich unerklärbaren Kletterdrangs um 111 Gründe – sicher nicht alle so tierisch ernst gemeint wie jener unseres alpinen Säulenheiligen.

Cover 111 Gründe

„Im Moment ‚muss‘ ich in diesem Schönwetterloch in die Berge.“

Das schrieb mir am Dienstag, 28. Juni 16, um 6.52 Uhr Urs Schallberger, Präsident der SAC-Sektion Uto von 1994 bis 2001, in einem Mail – wie viele von uns hätten es ihm gerne gleich getan? Viele, nein: wohl alle. Ein schöner Sommertag ist ein sehr guter Grund, um in die Berge zu gehen. Es gibt noch andere.

Genau 111 Gründe zählt der deutsche Schriftsteller, Bergbuchautor und Extrembergsteiger Malte Roeper in seiner jüngsten Publikation auf. 111 Gründe, klettern zu gehen. Aber nicht nur klettern, im Fels und Eis, sondern auch bergsteigen und skitourengehen, ja gar slacklinen und brückenspringen. Bouldern sowieso. In zehn Seillängen teilt er die Argument-Route auf.

1. Das drollige Dutzend. Die zwölf schönsten Motive für nutzloses Tun. Zum Beispiel: „Weil es männlich ist.“ Klar – auch „weil es weiblich ist.“
2. Es gibt viel zu tun! Betätigungsformen des Homo verticalis. „Weil es Nordwände gibt.“
3. Fels ist nicht gleich Fels. Die verschiedenen Gesteine. „Weil es Bruch gibt.“
4. Wir ziehen auf Abenteuer, Teil 1. Magische Orte. „Weil es Berghütten gibt.“
5. Wir ziehen auf Abenteuer, Teil 2. Legendäre Wände und Routen. „Weil es das Matterhorn gibt“ – gibt es denn ein Bergbuch ohne den Berg der Berge?
6. Alpine Kultur. Bücher und Filme. „Weil es Reinhard Karl gab.“ Und wo ist Reinhold?
7. Organisierte Zusammenrottungen des Homo verticalis. Vereine und so. „Weil es die ‚Liebesnadler‘ gibt.“
8. All das schöne Spielzeug. Was wir brauchen, um hoch zu kommen. „Weil es Rucksäcke gibt“ – irgendwo müssen wir das ganze Zeugs ja verstauen, wenn wir die Schönwetterfenster ausnützen. Für die Regenwände braucht’s noch mehr Material.
9. Eine Heerschar cooler Charaktere. Unsere Idole. „Weil es Chongo Chuck gibt“ – was ist das nun schon für ein Kerl?
10. Höhen und Untiefen. Philosophisches zum Thema Klettern. „Weil der wahre Gipfel immer die Kneipe ist“ – Grund 110. Den letzten Grund lassen wir mal aussen vor – passiert halt immer wieder. Denn, wie es bei Grund 6 heisst: „Das einzige Gesetzt, das wirklich gilt – ist das der Schwerkraft.“

Ein Prost auf Malte! Weil er unterhaltsam schreiben kann. Nicht immer objektiv, aber das muss er ja nicht. Nicht wirklich alle Gründe aufzählend, aber das ginge sowieso nicht. Schöne und weniger schöne Geschichten aus der grossen und kleinen Geschichte der Bergsteigerei erzählt er, mit Schwerpunkt auf seiner Zeit. Vielleicht liegen ein paar „Weil“ auch etwas neben der Route. Doch beim übernächsten Grund bringt uns Malte ganz sicher zurück auf seinen richtigen Weg. Nur am Eiger griff er meterweit daneben. Denn auf den freistehenden Pilz am Rande der Nordwand führt die Route Magic Mushroom, nicht Deep Blue Sea. Ob er in Gedanken bereits am nächsten Buch kletterte? 112 Gründe, ans Meer zu fahren. Wie sagen die Franzosen doch? L’année prochaine, j’irai à la mer.

Malte Roeper: 111 Gründe, klettern zu gehen. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2016, Fr. 13.50

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