Anfängerglück: Die Schlinge

Wie aus einer einfachen Route ein Hochrisikospiel wird. Zum Thema Vandalismus am Fels

Das Steinschlagnetz bei der Route Anfängerglück.

Da hing sie, sauber in eine felsenfeste Sanduhr gefädelt, gelegentlich auch wieder von Kletterern ersetzt, die sich um die Sicherheit ihrer Kolleginnen und Kollegen sorgen: die Schlinge. Und nun sie einfach weg. Ohne Ersatz. Abgeschnitten, ein Rest klemmt noch im Spalt. Die Sicherung – gewiss nicht so sicher wie ein guter Bohrhaken – fehlte. Letzte Woche und auch gestern klettere ich wieder mal, nach längerer Zeit, die Route «Anfängerglück» auf der Galerie. Sie ist ein Klassiker und gehört zur Geschichte dieses Klettergartens, seit wohl dreissig Jahren. Sie war unsere erste Route und schon damals hing da die Schlinge, die einem die Stufe bis zum nächsten Bohrhaken mindestens psychisch absicherte. Denn der nächste steckt in einer glatten Platte, und um ihn einzuhängen brauchen kleine Leute wie ich relativ kleine Krallgriffe. Man könnte also, im schlimmsten Fall, stürzen. Gut, ich kenne die Stelle, ich weiss, wie sie geht und besonders schwer ist sie ja auch nicht. Ich klettere sie auch ohne die Schlinge, ich weiss ja, was kommt. Aber es ist wahrscheinlich, dass hier auch Anfänger ihre ersten Kletterschritte auf der Galerie versuchen möchten, der Name lädt ein dazu und auch der Schwierigkeitsgrad: 6a+. Und für die könnte es doch recht kritisch werden.

Die Route hat sich verändert im Lauf der Jahre. Durch den Bau der Steinschlagnetze ist der untere Teil durch eine, von Transa gesponserte Leiter überbrückt worden. Sie beginnt nun bei einem Stahlpfeiler der gigantischen Steinschlagnetze, die der Kanton vor einigen Jahren in die Wand spannte und damit einige Routen teilweise oder ganz zerstörte. (Siehe Beitrag: Das Ende von Anfängerglück.) Nach dem zweiten Bohrhaken folgt die Stelle mit der nun fehlenden Schlinge. Vier Meter sind es ungefähr bis zum nächsten Haken, das ergibt mindestens acht Meter Sturz. Ist man gerade mit Einhängen beschäftigt, eine Hand in einen kleinen Griff gekrallt, die Füsse auf etwas abschüssigen Tritten, dann ergibt das der Seildehnung einen Zehnmetersturz – direkt auf den Stahlträger des Steinschlagnetzes. Es ist also sozusagen ein Selbstmordversuch, diese Stelle zu klettern.

Wer die Schlinge abgeschnitten hat, ohne für eine Ersatzsicherung mit einer neuen oder einem Bohrhaken zu sorgen, ist entweder sträflich gedankenlos, ein narzistischer Schwerkletterer oder schlicht ein Vandale am Fels. Aus einer schönen Route für Anfänger ist damit ein Hochrisikospiel geworden.

Ein Gedanke zu „Anfängerglück: Die Schlinge

  1. Leider ergeben sich immer wieder Fragen zur Sicherheit gerade im Klettergarten. Die Routine trainiert in der Halle lässt die komplizierte Einschätzung des Risikos nicht zu. Schlingen = unsicher ist so falsch wie der erste Haken, der vom Boden geklickt werden kann, aber nur die Illusion der Sicherheit gibt, da Seil und Sicherer Raum und Zeit brauchen bis sie halten.
    Wo üben ein junger Kletterer diese Einschätzung des Risikos und unserer Fähigkeiten, wenn alles Plaisir sein muss ? Lasst uns Normen für Klettergärten fordern, damit jedes Risiko und Denken verhindert wird. Andernfalls löst jeder Kletterer das Problem so, wie er das für sich verantworten kann.

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