Au Moléson

Lyôba, lyôba! Den welschen Kuhreihen sangen wir in der Sekundarschule ohne etwas zu verstehen – dank dieser Rezension ist nun auch seine Herkunft und seine Wirkung auf die Weltmusik geklärt. Und es klärt sich auch, warum die Gebrüder Rémy zu Weltspitzenkletterern wurden – dank einem mit 91 immer noch rüstigen Vater. Bonnes nouvelles also vom Fuss des Moléson – den Weltberg müsste man ja wirklich mal besteigen. Zur Not mit der Seilbahn.

En Pays Fribourgeois

Din la Suisse lia ouna montagne
Dei plie hauté, dei plie ballé.
Sche vojei la curiojità
Prindé la peina dè montâ
A Moléson, à Moléson!

Ein Wort verstanden ausser Suisse, montagne und Moléson? Wahrscheinlich noch hauté oder montâ. Vielleicht auch curiojità – hört sich zwar eher an wie das spanische curiosidad und weniger wie das französische curiosité. Nun, was oben über den bekanntesten Freiburger Berg steht, ist im Greyerzer Dialekt geschrieben.
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Auf Französisch lautet die erste Strophe im bekannten sechsstrophigen Volkslied „A Moléson! A Moléson!“ so:

Dans la Suisse, y a une montagne,
Des plus hautes, des plus belles
Si vous avez encore bon pied,
Prenez la peine de monter
à Moléson, à Moléson.

Eine deutsche Version gibt es ebenfalls:

Einen Berg gibt‘s in der Schweiz –
Von den höchsten, schönsten einer;
Fühlet ihr der Neugier Reiz –
Auf! besteigt, wie Unsereiner,
Den Moleson, den Moleson!

Den Liedtext im Dialecte gruyérien und auf Deutsch fand ich im Buch von Charles Cornaz-Vuilliet: „La Suisse romande en zigzag, Section 3: En pays fribourgeois“, 1892 in der Librairie de l’Université in Fribourg erschienen. Darin sind ganze zwölf Seiten dem Moléson (2002 m) gewidmet, dem „“Righi fribourgeois“, wie der Symbolberg des Kantons Freiburg damals genannt wurde. Hätte man den massigen Greyerzer Gipfel am Alpenrand vor seinem Pendant über dem Vierwaldstättersee als Top-Aussichtsberg erkannt und entsprechend touristisch erschlossen, so würde man jetzt vielleicht von der Rigi als dem Moléson der Zentralschweiz sprechen.

Ein Besuch des Moléson kann nur empfohlen werden, zu Fuss, auf einem der beiden Klettersteige oder mit der Seilbahn. Mit letzterer dauert die Besteigung von Bern aus nur gerade zweieinhalb Stunden. Auf der Fahrt ins Greyerzerland könnte man zwei neuere Publikationen zur Hand nehmen, die unweit des Moléson verankert sind.

Semsales

In „Semsales à la clarté des Sources“ schildet der Lokalhistoriker Denis Gendre ausführlich und mit vielen Abbildungen sein Dorf. Es liegt unterhalb der Alpettes, einem dem Moléson nordwestlich vorgelagerten Hügels. Dieser wiederum ist bekannt für zweierlei. Erstens soll die berühmte Melodie des Ranz des Vaches in Les Colombettes am Nordfuss der Alpettes geboren worden sein; sie fand Eingang in Kompositionen von Ludwig van Beethoven, Hector Berlioz, Robert Schumann, Felix Mendelssohn, Gioacchino Rossini, Franz von Liszt, Richard Wagner und anderen. Was singt der Senn im Refrain dieses Liedes? Lyôba, lyôba, por aryâ./Vinyidè totè, byantsè, nêre,/Rodzè, mothêlè, dzouvenè ôtrè,/Dèjo chti tsâno, yô vo j’âryo. Heisst übersetzt: Komm Kuh zum Melken./Kommt alle, die weissen, die schwarzen,/die roten, die gestirnten, die andern. Und zweitens entspringt an den Alpettes die Broye, dieser trotz einigen Uferabschnitten in waadtländischen Gefilden urfreiburgerische Fluss. Der Kanton Freiburg jedenfalls hängt so sehr an ihm, dass er den Canal de la Broye zwischen Murten- und Neuenburgersee bis zum allerletzten Tropfen auch als sein Territorium betrachtet. In der Ebene zur jungen Broye in Semsales befand sich einst eine der grössten Glasfabriken der Schweiz. Die meisten Flaschen wurden mit der Bahn an den Genfersee transportiert. Denn dort wird ja das produziert, was in die Flasche kommt.

Marcel Rémy

Die Eisenbahn spielt eine wichtige Rolle in der eben erschienenen Biographie über Marcel Rémy, den Vater der berühmten Kletterbrüder Claude und Yves Remy. Mit 91 Jahren klettert Marcel Rémy immer noch schwierige Routen, ja er fährt gar noch auf dem Skateboard. Philippe Barraud porträtiert in seinem Buch aber nicht nur den sehr rüstigen Rentner, sondern erzählt auch seine Jugend als Sohn eines tyrannischen Stationsbeamten in Les Cases, auf der Greyerzer Seite des Jaman-Tunnels der Montreux-Oberland-Bahn. In jeder Hinsicht ein Leben im Schatten. Umso bewundernswerter, wie Marcel ins Licht emporgeklettert ist, und wie er andere mitgenommen hat in die Berge. Ein Vorbild für Junge. Für Alte sowieso.

Hoch vom Kulm schaut man die Welt,
Trinkt am Berg die reinsten Quellen,
Und wenn Schwermuth euch befällt,
Klingen hell die Heerdenschellen
Des Moleson, des Moléson!

Denis Gendre: Semsales à la clarté des Sources. Eigenverlag, Semsales 2013, Fr. 40.- Zu bestellen beim Autor, Route des Alpettes 37, 1623 Semsales.
Philippe Barraud: Un pas de plus – Marcel Rémy. Éditions Cabédita, Bière 2014, Fr. 29.-, www.cabedita.ch

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