Ausgeträumt

Zwei Bikes waren uns zum Testen überlassen worden. Nur die passende Tour musste noch gefunden werden. Im Zigerschlitz, wo das Wort „flach“ selten passt, wurden wir fündig. Doch etwas lag in der Luft. © Annette Frommherz Lachengrat 09 2014 (2)

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Von Näfels aus ging es gleich zur Sache, also hinauf. Kontinuierlich steil führte uns das Strässchen zum Obersee, in dem sich die schroffen Hänge spiegelten, die wir noch vor uns hatten. Ich hätte allen Grund gehabt, mich über den Sonnentag zu freuen: Kaum ein hämisches Wölklein hing am Himmel, die Luft war perfekt temperiert, mein Liebster wohl gelaunt. Und doch: Etwas trübte die Lage meines Gemütes.
Entlang dem Obersee erprobten wir unsere Bikes der neuesten Generation. Die Gangschaltung war vom Feinsten. In allen Variationen testeten wir sämtliche Gänge, nachdem wir bis hierhin nur die zwei niedrigsten Einstellungen gebraucht hatten. Ich dachte an meinen treuen Drahtesel, der heute zu Hause bleiben musste und sich bestimmt schämte, weil er kein Neunundzwanzig-Zoll-Bike war.
Bis zur Lachenalp wurde der Weg, nun auf Kies, noch steiler. Zeitweise schoben wir unsere Räder. Isch öppis? fragte mein Liebster. Ich schüttelte den Kopf. Was wollte ich ihm, einem Mann, denn sagen? Aber es nagte in mir. Der Lachengrat lag direkt vor uns – oder besser: über uns. Ich blinzelte in die Sonne und tat, was getan werden musste: Ich hob, wie der Mann vor mir, das Carbongestell hoch und buckelte es mit schweren Beinen den Hang hinauf. Die Mühe war es wert. Oben auf dem Lachengrat warfen wir unsere Blicke auf sämtliche lohnenden Seiten. Ein Jäger sass gut getarnt neben uns auf Grasbüscheln, streichelte mit der einen Hand seinen Hund und hielt mit der anderen sein Handy ans Ohr. Ich hörte ihn sagen: „Das chasch grad vergässe, es hätt hüt viel zvill Lüüt.“ Zwar erspähten wir keine weiteren Homo sapiens, doch zugegebenermassen auch kein Wild.
Die Glarner Gipfel reckten ihre Häupter. Alles hier schien makellos und rein. Alles hätte perfekt sein können. Und doch gab es mir einen kleinen Stich ins Herz. Mein Liebster schaute nichts ahnend hinab zum Klöntalersee, der wie ein schwarzes Loch in der Tiefe lag. Wir zurrten unsere Helme fest. Der Lohn für den nahrhaften Aufstieg stand uns bevor. Beinahe zehn Kilometer bis zum See ging es nur abwärts. Der Sattel meines Bikes liess sich bequem per Hebelschaltung höher und niedriger einstellen. Welcher Luxus! Wir sausten die Strecke hinunter, Längenegg, Chängel, Lauiboden und Schwändeli flogen an uns vorüber. Entlang dem Ufer des Klöntalersees schauten wir hinüber zu den senkrechten Wänden des Glärnischmassivs. Schon zeigten die ersten Bäume ihre bunte Herbstkollektion, aber ich beachtete sie nur flüchtig. Ich ahnte es in meinem Innersten: Es war beschlossene Sache. Wehmut legte sich schwer auf meine Brust. Ich seufzte. Die letzte Wegstrecke führte uns über Netstal zurück nach Näfels, wo ich mir schwor, niemals (niemals!) wieder auf einen Frauensattel zu verzichten.
Wir verluden die Räder in den Wagen, schütteten Wasser in die durstigen Kehlen und fuhren uns durch die zerzausten Haare. Eine schale Traurigkeit breitete sich in mir aus. Nichts würde mehr sein, wie es gewesen war.
Wieder daheim, beschlossen wir, müde zu sein. Am anderen Morgen dann die traurige Gewissheit: Er hatte es tatsächlich getan. Clooney, der George aller Frauen, ist nicht mehr zu haben.

5 Gedanken zu „Ausgeträumt

  1. Ez isch mer grad de Kafi zur Nase usegschprützt vor luter gigele….. Annette mir müend das trurig Thema unbedingt ufme baldige Joggingründeli bequasle!
    Küssli und immer schön d Fudibagge zämechlemme.
    En liebe Gruess
    Christa

  2. ich versteh‘ zwar kein wort, aber: wo sie recht hat, hat sie recht, die pum!
    und überhaupt: der clooney käm nicht mal bis zum obersee, geschweige denn zu allen andern gipfeln, die du mit deinem liebsten erreichst – und wo blieben dann die schönen „frommherzamberg“-texte, hä? also, schwamm drüber!

  3. Danke Reni
    Das war nur ein Versuch von Annette ihren Liebsten eifersüchtig zu machen, doch da steht er drüber. Nur schön sein ist auch nicht alles. Ich hatte auf jeden Fall spass auf der Tour.

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