BERG 2018 – Wie tut ein wildes Wandern wohl

Alle Jahre wieder ein sehr lesenswertes Bergbuch ist BERG, das Jahrbuch der Alpenvereine von Deutschland, Österreich und Südtirol. Schwerpunkt für 2018: der Grossglockner. Dazu passt perfekt das Literaturwanderbuch für Nord- und Osttirol. Der Berg mit seinen Bücher ruft halt auch im nächsten Jahr.

„Drei Weibsleute steigen auf den Glockner. Die erste kommt ganz hinauf, die zweite auch, aber später die dritte kugelt herunter.“

So wenig fröhlich lautet die Prophezeiung des Kalser Hexenmeisters im Roman „Die Groβglocknerin. Roman der Erstbesteigung des Groβglockners durch eine Frau“ des Priesters Sebastian Rieger, als Schriftsteller eher bekannt unter dem Namen Reimmichl. Der Roman erschien erstmals 1947 beim Innsbrucker Tyrolia-Verlag unter dem Titel „Die Glocknermaid“. Die erste Frau am Glocknergipfel war Sidonia Schmidl aus Rojach bei Heiligenblut; ihre Begleiter führten sie aber absichtlich nur auf den Kleinglocknergipfel (3770 m). Die ersten Frauen zuoberst auf dem grossen Glockner (3798 m) waren 1869 die Engländerin Mary Whitehead und kurz darauf die Salzburgerin Anna von Frey.

Alles weitere zum Grossglockner, darunter auch ein ABC von Adlersruhe bis Zirbe, im neuen Alpenvereinsjahrbuch BERG 2018. Gut 60 Seiten sind dem höchsten Berg von Österreich gewidmet. Den zweiten Schwerpunkt bildet das Thema „Bergsport und Gesundheit“, darin zum Beispiel diesen Fragen nachgegangen wird: Warum sterben in den Bergen seit Jahren mehr Männer als Frauen, auch am Grossglockner? Was tun, wenn die Gehwerkzeuge allmählich knirschen und knacken? Wirken die Berge als Anti-Depressivum?

In anderen Rubriken finden sich wie alljährlich im BERG weitere spannende und aktuelle Themen. Was können beispielweise die Alpenvereine dazu beitragen, den gesellschaftlichen Herausforderungen von Flucht und Migration zu begegnen? Wird Biken das neue Skifahren? Warum wollen die neuen Hüttenwanderer immer ihr Duschhandtuch und ihr Smartphone zur Hand haben, und was bedeutet das für die Hütteninfrastruktur? Drei Frauen werden porträtiert: die Deutsche Billi Bierling, Himalaya-Chronistin und Mitarbeiterin der Humanitären Hilfe der Schweiz; die Pakistanerin Hanniah Tariq, „Seilerste in Sache soziale Gerechtigkeit“; die Osttiroler Bergführerin und Extremalpinistin Lisi Steurer.

Tirol im Osten und Norden (und bekanntlich auch im italienischen Süden). Das österreichische Bundesland besteht aus den nicht zusammenhängenden Teilen Nord und Ost (an dessen Ostgrenze sich der Grossglockner erhebt). Für dieses Land hat die Ethnologin und Sprachwissenschaftlerin Christine Zucchelli von Hall in Tirol ein Literaturwanderbuch verfasst, unter dem so strammen wie stimmigen Titel „Wie tut ein wildes Wandern wohl.“ Auszüge aus den Werken von Autorinnen und Autoren unterschiedlicher Epochen und Genres bilden den Rahmen für 22 leichte bis mittelschwierige Wanderungen und eröffnen so neue Zugänge zu Landschaften und Erzählwelten. Unter den Literaten finden wir neben dem oben zitierten Reimmichl und anderen weniger bekannten Namen wie Tatjana Kruse, Lilly von Sauter und Fanny Wibmer-Pedit selbstverständlich auch Berühmtheiten wie Thomas Bernhard, D.H. Lawrence und Jörg Maurer. Mindestens zweimal begegnen wir Erich Kästner: im Zillertal und später noch in Kitzbühel. In diesem Topskiort hat er seinen so humorvollen wie bitterbösen Roman „Drei Männer im Schnee“ angesiedelt.

Und mit Kästner wollen wir auch aufs 2018 anstossen, mit seinem Gedicht „Der Dezember“, erstmals gedruckt in der „Schweizer Illustrierte Zeitung“ vom 7. Dezember 1953. Die sechste und letzte Strophe tönt so:

Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.
Dann dröhnt das Erz und spricht:
„Das Jahr kennt seinen letzten Tag,
und du kennst deinen nicht.“

BERG 2018. Herausgegeben vom Deutscher Alpenverein (DAV), Österreichischer Alpenverein (OeAV) und Alpenverein Südtirol (AVS); Redaktion Anette Köhler. Tyrolia-Verlag, Innsbruck 2017, € 18,90. www.tyrolia.at

Christine Zucchelli: Wie tut ein wildes Wandern wohl. Literarische Wanderungen in Tirol. Rotpunktverlag, Zürich 2017, Fr. 32.- www.rotpunktverlag.ch

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