Die unterirdische Schweiz

Die Schweiz ist doch grösser als man meint! Fast 4000 Kilometer Stollen durchlöchern unsern Grund und Boden und das Gebirge. Platz für Forschungslabors, Atombunker, Hotels und noch viel mehr. Dass wir von Höhlenbewohnern abstammen, wussten wir. Die besprochene Literatur zeigt: wir sind es noch immer.

„Alle theoretisch begehbaren unterirdischen, künstliche angelegten Tunnels, Kavernen, Schutzräume, Spitäler, Bahnhöfe, Einkaufszentren, Bunker und Stollen in der Schweiz ergäben heute aneinandergereiht eine Röhre von Zürich bis Teheran, 3750 Kilometer lang. Das ist weltrekordverdächtig, in der Relation zur Landesfläche unerreicht.“

Schreibt Jost Auf der Maur, der seit Jahren „Die Schweiz unter Tag“ erforscht und sie nun unter diesem Buchtitel ans Tageslicht hervorgeholt hat. Vom Urnerloch über die befahrenen und nie benutzen Eisenbahntunnels mit ihren Dörfern bis zu den Bundesratsbunkern und dem (untauglichen) Atomschutzbunker in der Autobahnröhre: Die Schweiz als Emmentaler ist viel löchriger als angenommen. Dieses hochspannende und tiefschürfende Buch erhellt die meist unbekannte unterirdische Schweiz. Da kommt man aus dem Staunen nicht heraus, und der Schnauf geht einem in der feuchten Kellerluft schier aus. Nochmals ein Zitat zur Schweiz, die seit Jahrhunderten ihr angestammtes Territorium meist in den Bergen, aber auch im Mittelland unter der Oberfläche vergrössert: „Das gesamte herausgebrochene Material würde einen Güterzug von mehr als 10000 Kilometern Länge füllen. Wäre der Zug mit 60 km/h unterwegs, bliebe die Barriere eines Bahnübergangs sieben Tage lang geschlossen.“

Die künstlich gebaute unterirdische Schweiz ist vielerorts überraschend gut zugänglich – der Autor gibt 18 Tipps für Ausflüge in die helvetische Unterwelt, von Zürich bis Biasca, von Genf bis Sargans. Taschenlampe nicht vergessen, und ein Helm ist vielleicht auch ganz nützlich.

Das gilt sicher ebenfalls für diejenigen, die auf eigene Faust Wege im schweizerischen Untergrund erkunden möchten. Zum Beispiel in alten Bergwerken. Doch aufgepasst auf morsche Balken und Böden! Sicherer ist es, wenn man an einer Exkursion der Schweizerischen Gesellschaft für historische Bergbauforschung teilnimmt. Die SGHB gibt aber auch die Zeitschrift „Minaria Helvetica“ heraus, die sich mit fundierten Beiträgen Themen und Regionen widmet. Heft 37 stellt den „Erzbergbau im Gental“ vor. Bereits um 1350 wurde an der steilen Bergflanke der Planplatte im Gental Eisenerz gewonnen und über den Erzweg in den Talboden nach Bürglen bei Meiringen transportiert, wo die erste Schmelzhütte im Oberhasli stand. Tempi passati. Doch die Löcher im Berg sind noch vorhanden. Aufsuchen kann man sie auch. Aber vor dem Hineinkriechen bitte zur heiligen Barbara beten!

Jost Auf der Maur: Die Schweiz unter Tag. Eine Entdeckungsreise. Echtzeit Verlag, Basel 2017, Fr. 32.-, www.echtzeit.ch

Minaria Helvetica, Heft 37/2016: Erzbergbau im Gental. Schweizerische Gesellschaft für historische Bergbauforschung, Fr. 25.-, www.sghb.ch

Karin Steinbach Tarnutzer (Text), Robert Bösch (Fotos): Schauplatz Schweiz – Hightech aus dem Berginnern. Eine Reportage aus dem ehemaligen Bergwerk Sargans. Geo, Juni 2017.

Lesung und Gespräch mit Jost Auf der Maur zu „Die Schweiz unter Tag. Eine Entdeckungsreise“ am Donnerstag, 8. Juni 2017, um 19 Uhr im Alpinen Museum der Schweiz in Bern.

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