Dorothy Wordsworth

Wer wünschte sich nicht, sein Tagebuch werde nach hundert oder mehr Jahren endlich entdeckt, bewundert übersetzt. Dorothy Wordsworth hat’s geschafft. Nach 214 Jahren sind ihre wertvollen Worte aus dem Lake District auch in Deutsch zu lesen. Nomen est omen kann man wiedermal beifügen.

Cover Wordsworth

„Dienstag, 22. Dezember: Wir hielten oben am Hügel an, um den Steinsitz zu betrachten. Es lag ein weiβes Kissen darauf, am Rand so rund wie ein richtiges Kissen & der Fels dahinter sah samtig weich aus, von lebendigem Grün & so einladend! Auch der Schnee sah so weich aus wie ein Daunenkissen. Ein junger Fingerhut mittendrin, wie ein Stern. In der Nähe gab es ein paar grüne Flechten & hier & da auf dem Boden etwas welkes Farngestrüpp. Sonst nur dichter Schnee – keine Fuβspur drauf war zu sehen, nicht einmal der Fuβ von einem Schaf.“

So schön, so genau beobachtet, so einladend (und auch so wünschenswert!), was die englische Dichterin, Tagebuch- und Briefschreiberin Dorothy Wordsworth (25. Dezember 1771 – 25. Januar 1855) genau heute vor 214 Jahren in ihrem Journal notiert hat, nach einer Wanderung über einen Hügel im tief verschneiten Lake District im Nordwesten von England. Dort hatte Dorothy 1799 mit ihrem geliebten Bruder William, gefeierter englischer Poet, das Dove Cottage in Grasmere bezogen, nun eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten im Lake District. Als wir im September 2013 das Häuschen besuchten, regnete es, wie üblich. Aber im Winter, wenn es genügend kalt ist, fällt eben auch Schnee. Oder fiel er, als Dorothy das Tagebuch führte, täglich mindestens einen Brief schrieb und immer wieder einen Spaziergang, eine Wanderung unternahm, auch bei Regen, im Schnee sowieso. Dabei wurden Landschaft und Gefühle genau beobachtet und festgehalten, William in Versen, sie in den Einträgen im Journal. Es war die frühe Glanzzeit der englischen Romantik.

Nun liegt das berühmte Grasmere-Journal von Dorothy Wordsworth – ich kaufte es damals im Wortsworth Museum – erstmals in einer deutschen Ausgabe vor. Eine sehr bibliophile Ausgabe: violetter Leineneinband, Goldschnitt, goldenes Lesebändchen, fein illustriert, angenehme Grösse, bestens übersetzt. Ein echtes Geschenk.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

Dorothy Wordsworth: Das Grasmere-Journal. Mit dem Alfoxden-Journal und dem Tagebuch einer Reise nach Hamburg. Übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort von Werner von Koppenfels. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2015, Fr. 34.90. www.dvb-mainz.de

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