Hard Rock an der Schillingsflue

Militäraviatik-Fans kommen in diesem Klettergarten über dem Haslital voll auf die Rechnung – aber auch der gewöhnliche Steuerzahler erhält etwas für sein Geld: Begleitmusik der dröhnenden Art, dazu noch schöne steile Routen. Hard Rock hoch zwei.

20141031_161611
20141031_161529
20141031_161755

Plötzlich rollt ein Donnern und Tosen vom Tal herauf, prallt gegen die Wand, die zu beben scheint unter der Druckwelle. Für Sekunden glaube ich, der Berg breche gleich in sich zusammen, decke mich zu und meinen Kletterfreund damit, der hoch oben an winzigen Griffen im Überhang kämpft. Ein bisschen Sand rieselt herab, ein paar Laubblätter segeln durch die Luft. «FA-18», ruft mein Freund herab, bis ich, ein bisschen schwer von Begriff, endlich begreife. Da unten in Unterbach bei Meiringen gibt’s einen Militärflugplatz, und da startet einer dieser teuren Vögel und bläst unser Steuergeld in die Luft hinaus. Ich erinnere mich an einen bösen Streit in einem Klettergarten, als ein Kletterer ein Leibchen trug mit der Aufschrift «Stopp FA-18». Aber nun sind sie halt da, die Generalsspielzeuge, waren per Referendum nicht zu verhindern, wie im Mai der Gripen. Inzwischen herrscht wieder Stille, der Freund hat die Umlenkung erreicht und damit sein Sommerprojekt vollendet, wie er sagt, «Damokles», 7a+.
Wir befinden uns an der Schillingsflue, die Herbstsonne wärmt den Rücken, ein angenehmer Ort, wenn da nicht dieser Fluglärm wäre, gegen den die Südanflüge in Zürich bloss ein angenehmes Säuseln sind. Wie halten das die Oberhasler nur aus? Vielleicht, indem sie die angestauten Aggressionen beim Klettern abreagieren? Oder gar selber auf dem Flugplatz arbeiten, wie weiland der berühmte Bergsteiger Ernst Reiss, Erstbesteiger des Lhotse und damit erster Schweizer auf einem Achttausender. Aber damals waren die Propellerflieger ja noch nicht so laut und an der Schillingsflue kletterte noch niemand.
Ein erster Versuch vor einigen Jahren endete schon oben im Wald, weil ich genialer Pfadfinder den Abstieg zur Wand nicht fand – obwohl mich ein Freund am Handy ferngesteuert dirigierte. Nun hat’s doch noch geklappt, schon zum zweiten Mal, und auch diesmal muss der Mega-Klassiker «Violett» geklettert sein, nebst ein paar andern Routen und einem kleinen Versuch an «Macky Messer», schon ein bisschen müde. Man findet ja immer eine Ausrede, und die Wand läuft ja nicht davon.
Wir sind fast allein an diesem Prachtstag, aber die zum Teil abgewetzten und mit Magnesia gut einbalsamierten Griffe zeigen, dass man hier nicht immer einsam klettert. Im prächtigen Buch «Sportklettern Berner Oberland» von Hans Grossen lese ich, die Haslitaler Kletterer hätten lange Zeit ihre Klettergebiete unter dem Deckel gehalten, so wie die Tessiner, um sie vor dem Ansturm der Zürcher ect. zu verschonen.
Tempi passati. Das kletternde Lehrerpaar Lorenz und Sue Wenger haben hier nach der ersten Pionierphase mit Kaspar Ochsner , Peter Lechner & Co. saubere Arbeit geleistet, Routen gelegt und saniert, Topos gezeichnet und auch einen Sektor «Women» mit schönen moderaten Routen in rauem gelbem Fels eingerichtet. Leider halt ein bisschen sandig alles, aber man gewöhnt sich dran. Jedenfalls sind jetzt auch Nicht-Berner-Oberländer willkommen, schliesslich zahlen wir ja alle an die FA-18 Begleitmusik, Hard Rock vom teuersten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert