Hüttenlesung

Auch SAC-Hütten feiern Geburtstage. Die Cadlimohütte zum Beispiel den hundertsten. Anlass für eine kleine Lesung zwischen Spaghetti und Dessert.

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Die Idee ist scheint’s in Finalborgo entstanden, wo das Hüttenwartpaar Christine und Heinz in der Spaghetteria am Nebentisch sass. Ich hab’s vergessen, aber einerlei. Ich bin da, den Aufstieg vom Ritomsee her geschafft zur Hütte, die ich ohne die Einladung zur Lesung wohl nie mit einem Besuch beehrt hätte. Warum auch? Die Frage haben sich wohl viele schon gestellt. Warum hat die Sektion Uto im Kriegsjahr 1916 an diesem Ort fern eines bedeutenden Gipfels eine Unterkunft gebaut? Selbst der Hüttenverwalter an unserem Tisch weiss keine Antwort. Aber nichts desto Trotz sei sie seit Anbeginn gut gelaufen und heutzutage, wo Bergwandern Trendsport geworden ist, ohnehin. Tessin ist Wanderland und diese Gneisgegend, wo ein wunderschöner See den andern ablöst, ist ein Wanderparadies – beliebt auch bei Bikern wie jenen, der sich verspätet hat und dann dankbar in der Hütte eine Matratze zum Schlafen findet. Natürlich nicht wie wir im Separée bzw. Winterraum oder Hundekammer, je nachdem. Zuerst muss ich natürlich den Aufenthalt abverdienen, vor dem Znacht und nach dem Hauptgang Geschichten vorlesen. Zum Glück gibt’s in der kürzlich sehr schön erweiterten Hütte zwei Räume, so können die Literatur-Uninteressierten und die zahlreichen Kinder weiter spielen und jassen und schwatzen, während ich die Alpin-Literatur-Interessierten in geschlossener Gesellschaft unterhalte. Es ist bei so Hüttenlesungen ja immer alles ein bisschen ad-hoc, auch die Einführung des Autors beschränkt sich meist wie hier auf: «Du stellst dich doch selber vor, gell. Ich muss jetzt halt leider wieder in die Küche.»
Na ja, so verpasst halt der Hüttenwart, der direkt unter dem Grossen Mythen aufgewachsen ist, schliesslich auch meine Hommage an die Mythen und seine Nussgipfel. Wie bei Hüttenlesung so oft komme ich mir wie der Hase in der Fabel vor, denn es heisst: «Franz Hohler war auch schon da.» So gebe ich mir denn redlich Mühe, auch mit dem Zwei am Rücken eine anständige Figur zu machen. Oh, da kauft sogar jemand ein Buch und dann erst noch ein prominenter Hüttengast: Vasco Pedrina, als Co-Präsident der Unia ehemals «mächtigster Gewerkschafter der Schweiz». Mit seiner Frau ist er zum ersten Mal von seinem Heimatort Airolo hier heraufgestiegen, auf Rat seines Nonnos hin «nur bei stabilem Wetter, da man sich sonst im Nebel schön verirren könnte».

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Nun, das Wetter ist stabil, die Hütte voll, die Stimmung gut. Mit Vasco tausche ich ein paar Remineszenzen aus meiner Gewerkschaftszeit aus und auch für ihn habe ich noch einen Tessin-Text als Hommage auf Lager.
Auch sonst lernen wir sehr nette und tüchtige Wanderer und Wanderfrauen kennen, mit denen wir uns prächtig unterhalten und am nächsten Tag zusammen zum Lukmanier wandern können. Also durch Gegenden, in die wir sonst nie verirrt hätten. Unsere neuen Freunde ziehen weiter, wir dagegen besteigen das Postauto, erhitzt und glücklich über zwei feine Tage in den Tessiner Bergen. Als Erinnerung kommt auch noch ein dickes Stück Käse vom Kiosk mit.

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