Lausanne promenades littéraires

Prächtigste Bäume am Ufer des Flon und in Parkanlagen. Zwei Panoramahügel in der Olympiakapitale. Ein Rosenfenster aus dem 13. Jahrhundert in der gotischen Kathedrale. Tolle Museen, Läden und Restaurants. Und überall Spuren von literarischem Schaffen. Ihnen geht ein neues Buch nach. Viel Vergnügen auf den promenades littéraires in Lausanne.

„Manchmal (…) träumte ich davon, wie hübsch dieses kleine Tal einst gewesen sein muβ, als der Flon friedlich dahinfloβ, bevor man ihn zudeckte, um darauf die Rue Centrale zu bauen, die den grünen Hügel in eine Betonwüste verwandelte. Ich frage mich, ob man damals durch das offene Fenster meines Hauses, das viel älter ist als die Rue Centrale, das Zwitschern der Vögel hören konnte, die nachts vom Geräusch des Windes in den Zweigen geweckt wurden…“

Ein Ausschnitt aus dem Lausanne-Krimi „Herz aus Eisen“ von Anne Cuneo. Le Flon: der Stadtfluss von Lausanne, der einem lebendigen Quartier den Namen gegeben hat, beginnt im düsteren Wald des Jorat oben, unweit des Chalet à Gobet. Einst ein Ort zum Verweilen, als hier noch die Postkutschen auf dem Weg von Lausanne nach Bern gewechselt wurden; heute eine lärmige Hauptstrasse. Also nichts wie weg und eintauchen in eine der grünen Lungen von Lausanne. Tannen rauschen, Eichhörnchen flitzen. Wo wir den Flon zum ersten Mal überschreiten, ist er noch ein braver Bach. Wir steigen auf einem Pfad zu ihm hinab und folgen ihm, möglichst wassernah, bis nach Lausanne. Wie er sprudelt und gurgelt, verweilt und fliesst! Lausanne ist weg, weit weg. Und trotzdem nähern wir uns der Stadt mit jedem Schritt. Nur merken wir es nicht, bis wir zum Signal de Sauvabelin (644 m) hinaufspurten. Was es da alles gibt: einen künstlichen See, ein Wäldchen, einen Minizoo, einen Spielplatz für Kinder, einen Aussichtsturm. Und Restaurants natürlich. Wir entscheiden uns fürs Chalet Suisse. Und für die „soupe des brigands du Jorat“. Oder wie wär‘s mit einem Waadtländer Teller? Was man dazu trinkt, ist klar. Weder Fendant noch Dôle. Nein: einheimisches Gewächs.
Und was man dazu liest, ist auch klar. Ein Buch, das in Lausanne spielt. Ein Buch, das dort geschrieben wurde. Ein Buch, das von einem/r Schriftsteller/in verfasst wurde, der/die in Lausanne lebt(e) oder die Stadt besuchte. Ein paar weitere Namen gefällig? Charles Ferdinand Ramuz, Schöpfer klassischer Bergromane wie „Derborance“ und „Das große Grauen in den Bergen“; Corinna Bille, die 1944 in Lausanne das (uneheliche) Kind von Maurice Chappaz zur Welt bringen musste – im Wallis wäre das nicht möglich gewesen, also in jenem Land, das in ihren Werken immer wieder thematisiert wurde; Lord Byron, Verfasser des Dramas „Manfred“, das für die Schweiz und ihre Berge Reklame machte wie Schillers „Wilhelm Tell“.
Ihnen allen, natürlich auch Anne Cuneo, begegnen wir im Buch „Lausanne promenades littéraires.“ Unter der Leitung von Daniel Maggetti und Stéphane Pétermann machten sich sieben Autoren/Autorinnen auf literarische Spurensuche in der Léman-Stadt. Zwanzig Spaziergänge zu einzelnen Autoren wie Ramuz und Simenon, zu literarischen Themen wie Lyriker und Krimischriftsteller, Besucher und Herausgeber, zu besonderen Orten wie Cafés, Kirchen und Gärten, und eine Promenade auch zu Comics, die in Lausanne spielen. Alles hübsch arrangiert mit Erklärungen, Zitaten und Routenbeschreibungen, mit Zeichnungen und alten Fotos, mit biografischen Notizen, einem Personen- und Ortsindex sowie mit den „lieux du livre à Lausanne.“ Kurz: Wander- und Lesebuch, Fundgrube und Nachschlagwerk in einem.
Gestärkt mit so viel literarischem Wissen machen wir uns auf die zweite Hälfte der Tour. Gleich unterhalb des Signal de Sauvabelin die Fondation de l’Hermitage mit ihren tollen Ausstellungen. Dann die Cathédrale Notre-Dame mit dem Rosenfenster: ebenfalls ein Muss. Freiwillig ist jedoch das Hochkeuchen der 160 Stufen ins Arbeitszimmer des Turmwächters, der jede Nacht zwischen 22 und 2 Uhr die Stunden ausruft. 160 Stufen weisen übrigens auch die gedeckten Escaliers du Marché auf, über die wir in die untere Altstadt hinuntertrippeln. Bevor wir dann unterhalb des Bahnhofs unseren zweiten Gipfel erklimmen. Das Wort mag übertrieben sein. Doch der Crêt de Montriond ist ein Berg, ein ganz kleiner. Der tiefste über dem Lac Léman, bloss 447 Meter hoch. Die Aussicht allerdings, die ist gross. Etwas weniger weitreichend als vom Signal de Sauvabelin, aber immer noch fast der gesamte See vom Schloss Chillon, das Byron besang, bis zum Jet d’eau von Genf. Stundenlang könnten wir dort oben verweilen. Der See freilich, der lockt. Und auf dem Weg nach Ouchy, dem quirligen Hafen von Lausanne, wollen noch das Photographiemuseum und Musée Olympique besichtigt werden. Ein volles Programm, mon Dieu!

Daniel Maggetti, Stéphane Pétermann (coordination), Fanny Vaucher (dessins): Lausanne promenades littéraires. Les Éditions Noir sur Blanc, Lausanne 2017, Fr. 32.50, www.leseditionsnoirsurblanc.fr

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