Les 100 mots des Alpes

Hundert Stichwörter über die Alpen, en français. Eine Fundgrube für unseren Rezensenten, der in diesem «petit guide culturel en montagne» haufenweise Lücken aufgespürt hat. Alpinliteratur? Ausser Tartarin Fehlanzeige. Alpenstädte? Gibts in der Schweiz keine. Aber sicher kann man sein Schulfranzösisch wieder mal auffrischen.

Les 100 mots des Alpes

«Qu’elle soit germanophone, anglophone, italienne ou française, ce qui caractérise la littérature alpine, c’est son absence d’humour. Pas de légèreté ou d’éclats de rire, pas de farces ou d’illusions dans cette rude contrée qui ne se dévoile jamais d’un seul coup d’œil. Seul Alphonse Daudet, avec son Tartartin sur les Alpes (1885), s’amuse de la naïveté des touristes reçus par des professionnels du commerce.»

Mon œil! Da zeigen die beiden renommierten Autoren von „Les 100 mots des Alpes“ aus der weitverbreiteten Collection „Que sais-je“ (insgesamt 3800 Titel) beim Stichwort „littérature alpine“ nicht gerade viel Übersicht. Nur Alphonse Daudet habe mit seinem Tartarin humorvolle Bergliteratur verfasst? Na ja, vielleicht als einziger Franzose. Aber was ist mit „A tramp abroad“ von Mark Twain, worin unvergesslich komische Besteigungen der Rigi und des Gornergrates stattfinden? 1995 erschien dieser Klassiker übrigens auch in der Sprache von Daudet unter dem Titel „Ascensions en téléscope.“ Und was ist mit „À l’assaut du Khili-Khili“ von William Ernest Bowman, im letzten Jahr als „Die Besteigung des Rum Doodle“ endlich auch auf Deutsch publiziert? Klar, das Buch ist eine bitterböse Parodie auf das Bergsteigen im Himalaya, doch alpine Literatur hört ja nicht am Mont Blanc auf. Dass Jean Guibal, Direktor des Musée dauphinois in Grenoble und der Zeitschrift „L’Alpe“, sowie der Schriftsteller Philippe Langenieux-Villard „Die Alpenfahrt der Familie Ekel, eine wahre Geschichte als Beitrag zum ‚alpinen Knigge‘“ aus dem Jahre 1908 nicht kennen, kann man ihnen gut nachsehen. Das witzige Werk ist auch im deutsch-alpinen Sprachraum so gut wie unbekannt. Das gleich gilt, im Italienischen, für „Alpinisti ciabattoni“ von Achille Giovanni Cagna. Und Franz Hohler? In seinem eben erschienenen Bergbuch „Immer höher“ findet sich eine so leicht wie lustig beschriebene Tour (wenigstens für die Leser) auf den Gran Paradiso.

Schwamm darüber! Dieser „petit guide culturel en montagne“ mit seinen 100 Stichwörtern taugt durchaus was. Man lernt viel Neues, frischt viel Bekanntes auf – und wundert sich natürlich da und dort, nicht nur bei der Bergliteratur. Wo, das nur entre nous, Heidi keinen Auftritt hat. Drei Berge haben die zwei Autoren aufgenommen: Cervin, Eiger und Mont Blanc. Dazu vier Alpenstädte (Grenoble, Innsbruck, Ljubljana und Trento). Und 22 Männer, von Jean Achard über Erri De Luca und Olivier Messiaen bis Antoine de Ville. Noch kaum gehört, nicht wahr? Aber genau das macht so ein rucksacktaugliches und geldbeutelschonendes Buch beachtens- und lesenswert. Eine Auswahl zieht bekanntlich immer Zu- und Widerspruch nach sich. Und manchmal schleichen sich halt auch Fehler ein. René Desmaison (1930-2007), dieser Star unter den französischen Alpinisten und Alpinautoren, heisst nun Henri. Mon Dieu!

Jean Guibal, Philippe Langenieux-Villard: Les 100 mots des Alpes. Presses Universitaires de France, collection «Que sais-je», Paris 2014, 9 €. www.quesais-je.com

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