Reklamekunst und Reiseträume

Es war das goldene Zeitalter des Schweizer Tourismus, als sich Grafiker mit Rang und Namen um die Plakatgestaltung bemühten. Heute sind die Originale Sammlerobjekte, die von eleganten Damen im Tennisdress und von markigen Alpinisten am Fuss von Bergen im Alpenglühen träumen liessen. Nostalgie pur im Zeitalter der Schneekanonen und von Lautsprechern zugedröhnten Schneebars.

SCHWEIZ
FRÜHJAHRSAISON MÄRZ-MAI

Palace Hôtel 350 Zimmer & Salons
Arrangements von 12 bis 25 Frs.

Grand Hotel 250 Zimmer & Salons
Arrangements von 8 – 20 Frs.

CAUX – über TERRITET-MONTREUX
1100 m.ü.M.

Berlin via Frankfurt Basel 24 St.
Berlin ab 1.50 N. Caux an 2.19 N.

Das sind die Aufschriften auf einem ganz speziellen Plakat aus dem Jahre 1902. Es ist das erste bekannte Schweizer Plakat, das einen Sport treibenden Touristen bildfüllend zur Schau stellt. Weder einen Skifahrer noch eine Eisläufern, und auch keinen Bergsteiger oder Badende – es geht ja um den Frühling. Das in Sepiatönen gemalte Plakat, mit rötlichen und schwärzlichen Buchstaben, zeigt die beiden Luxushotels von Caux, unten das Palace und weiter oben das Grand Hotel, darüber spitzig die Dent de Jaman und wuchtig die Rochers de Naye. Und welche Sportart treibt der junge Mann in Weiss, mit schicken Schuhen, langen Hosen, Hemd und kecker Dächlikappe? Tennis! Die Schweiz als Tennisland – stimmt eigentlich immer noch, nicht wahr Stan & Roger?

Schöpfer dieses stilvollen Plakats ist Anton Reckziegel. Geboren 1865 im böhmischen Gablonz und in Graz zum Maler ausgebildet, war Reckziegel ab 1893 in der Schweiz tätig. 1909 kehrte er nach Österreich zurück, wo er bis zu seinem Tod 1936 als Landschaftsmaler arbeitete. Während seiner Schweizer Jahre wurde er rasch zum bekanntesten Plakatmaler des Landes. Seine Motive zeigen insbesondere eine Welt der elegant gekleideten Paare und Sportler, der schnaubenden Dampfeisenbahnen, der prachtvollen Grand Hotels (waren die günstig, von heute aus betrachtet!). Erstmals warben damals grosse, farbenprächtige Plakate und sorgfältig lithografierte Prospekte mit Panoramen für die neuerschlossenen Reiseziele wie Caux hoch oberhalb des Lac Léman oder die Station Eismeer auf der Bahnstrecke zum Jungfraujoch. Reckziegel schuf aber auch Ansichtskarten und trug dazu bei, dass diese neue Art der Kommunikation damals einen ungeahnten Boom erlebte.

Das grossformatige Buch „Reklamekust und Reiseträume“ stellt nun zum ersten Mal Leben und Werk von Anton Reckziegel im Kontext der Belle Époque umfassend vor und zeichnet seinen Werdegang vom vielseitigen Kunstmaler zum ersten selbstständigen Werbegrafiker der Schweiz nach. Ebenso werden die Entwicklungen im Druckwesen, in der Kunst und im Tourismus im Vorfeld und während Reckziegels Zeit beleuchtet. 315 farbige und 12 schwarz-weisse Abbildungen entführen in die Frühzeit des touristischen Plakats und der Werbegrafik: zu Skifahrern auf der Rigi, zu Alpinisten unter der Jungfrau, zu Schlittschuhläufern in Davos, zum Hirtenbuben bei Brig, zur Bierkellnerin in Rheinfelden – ebenfalls bildfüllend wie der Tennisspieler. Sport gibt bekanntlich Durst.

Reklamekunst und Reiseträume. Anton Reckziegel und die Frühzeit des Tourismusplakats. Herausgegeben vom Alpinen Museum der Schweiz. Mit Beiträgen von Urs Kneubühl sowie von Agathon Aerni, Roland Flückiger-Seiler, Beat Hächler, Hans Hirt-Tenger und Christian Jaquet. Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2016, Fr. 59.-

Die Publikation begleitet die Ausstellung „Reklamekunst und Reiseträume. Anton Reckziegel und die Frühzeit des Tourismusplakats“ im Alpinen Museum der Schweiz in Bern (27. Januar bis 23. April 2017). Ein Gemeinschaftsprojekt des ALPS und der Hochschule der Künste Bern, für das sich 19 junge Gestalterinnen und Gestalter mit Reckziegel und den veränderten Anforderungen an die zeitgenössische Tourismuswerbung auseinandergesetzt haben. Die Vernissage fand am Freitag, 27. Januar 2017, um 19 Uhr im ALPS statt.

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