Bei diesem Hochsommerwetter locken die hohen Berge unwiderstehlich. Für die Drei- und Viertausender der Walliser Alpen gibt es einen neuen Führer, der so gut gemacht ist, wie dies alpinistische Gebrauchsliteratur heute sein sollte.

„Eigentlich ist über diesen Grat bereits alles bekannt, und doch spielen sich hier oft die verrücktesten Szenen ab. Überforderte Alpinisten aus der ganzen Welt sind schon fast an der Tagesordnung, genauso verrückt findet in der Hochsaison die Hetzjagd der matterhornsüchtigen Touristen statt. Nicht selten liegen am ganzen Grat Bergsteiger verteilt, die in einem Biwaksack den nächsten Tag herbeisehnen. Trotzdem bleibt das „Horu“ ein eindrücklicher und auch schöner Berg. Ist man auf der richtigen Route (und das ist wohl das Hauptproblem!), gibt es kaum Steinschlag, und der Fels ist gar nicht schlecht.“
Und wie bleibt man auf der richtigen Route? Mit einem Führer natürlich. Am besten mit einem, der vorausgeht. Wenn man aber selbst vorausgehen will, braucht man den richtigen Führer im Rucksack. Oder noch besser eine Fotokopie der Routenbeschreibung in der Hand bzw. im Hosensack. Und genau einen solchen Führer haben Daniel Silbernagel und Stefan Wullschleger gemacht. Geschrieben, gezeichnet, fotografiert. Nicht nur geschrieben, wie sonst üblich in Tourenführern, mit oft seitenlangen Hinweisen wie „… links hoch, und gleich anschliessend rechts über ein Band, das man nicht ganz bis ans Ende verfolgt, sondern durch einen brüchigen Kamin verlässt, der usw….“ Oder dann mit Sätzen, die einem auch nicht wirklich den Weg weisen, wie: „Man folgt dem Grat zum Gipfel, die Hindernisse rechts oder links umgehend.“ Das Führerduo hat die Routen eben auch gezeichnet, wie man dies vor allem von Kletterführern kennt, hat die Schlüsselstellen grafisch präzise erfasst. Diese auf Fotos lokalisiert. Und die Fotos wiederum datiert, damit man weiss, wo vielleicht wieder Eis weggeschmolzen ist. Mehr noch: Der Wegverlauf ist auf Ausschnitten der 1:25‘000er-Landeskarte eingezeichnet. Damit hat man alles in der Hand. Denn eine aktuelle Hüttenliste, Infos zur Anreise und zu den Ausgangspunkten findet sich ebenfalls Fehlt eigentlich nur noch das stabile Wetter – und stabile Bergschuhe. Dann ab ins Wallis.
Erfasst sind klassische 77 Hochtouren im mittleren bis zünftigen Schwierigkeitsbereich zwischen Mont Dolent und Fletschhorn. Leichte Gletscherwanderungen sucht man vergeblich, gefährlich-brüchige Grate auch, überhängende Nordwände ebenfalls. Aber es hat einige happige Touren drin, wie der Schaligrat am Weisshorn oder der Viereselsgrat an der Dent Blanche. Nun, Esel wird man gerade dort keine finden. Schon eher am Hörnligrat…
Daniel Silbernagel, Stefan Wullschleger: Hochtouren Topoführer Walliser Alpen. Topo Verlag, Basel 2010, Fr. 58.-, www.topoverlag.ch