50 Türme zum Klettern – und mehr

Drei neue Kletterführer für alle, die steil nach oben wollen.

«Während der Vorbereitung einer Sektionstour in den Alpstein habe ich ein Foto vom Südrippli entdeckt. Keine Frage, da muss ich hinauf. (…) Nur wo ist dieses Südrippli zu finden? Die Beschreibungen verraten mir: in der Schweiz, im Alpstein, in den Kreuzbergen. Gefühlt stundenlang suche ich diese „Kreuzberge“ auf einer Landeskarte. Vergebens. Erst der vielfache Vergleich von Aufzeichnungen mit der Karte bringt dann endlich die Lösung: In den Schweizer Landeskarten ist dieses Gebiet unter „Chrüzberge“ verzeichnet. Schwyzerdütsch! Da muss man erst einmal darauf kommen! Verzweiflung löst sich auf in genüssliches Schmunzeln.»

Tja, lieber Stefan aus Bayern, du bist nicht der Erste, der mit den in Mundart geschriebenen Namen auf der Landeskarte der Schweiz seine liebe Mühe hat. Das ergeht auch den Einheimischen so. Zwei Beispiele nur: Das Bärenhorn, Topskiberg zwischen Rheinwald, Valsertal und Safiental, heisst seit 2016 Bärahora; wer auf der digitalen LK „Bärenhorn“ eingibt, findet nur noch einen so genannten Gipfel in der Spannort-Gruppe. Und den Motto Rotondo beim Monte Tamaro im Tessin nennt die LK seit 2015 Ul Mött Tund. Immerhin heisst das Matterhorn auf der Karte noch so und nicht „Hore“ oder „Horu“.

Geben wir gleich noch zwei andere Namen ein: Hannibal – Fehlanzeige. Kamel – gleich zwei Felsköpfe sind so verzeichnet, einer im Südwestgrat des Gspaltenhorns, der andere nordöstlich oberhalb der Sidelenhütte im Furka-Gebiet. Auch der Hannibal thront unweit dieser Hütte – und hat, wie das Kleine Kamel, Eingang gefunden in den Bildbandführer „50 Türme – exponierte Klettertouren“ von Stefan Stadler. Zwei von acht helvetischen Klettertürmen, die wie die andern 42 Turmtouren mit tollen Fotos, abwechslungseichen Einführungstexten, den nötigen klettertouristischen Infos und genauen Topos vorgestellt werden. Überschlagsmässig gezählt sind es mehr als 100 Türme, auf die uns der Stefan hochseilt. Die Tre Frati in Finale Ligure bestehen laut Zeichnung aus dem Grossen und dem Kleinen Bruder. Und sie befinden sich nicht wie angegeben in einem ausseralpinen Gebiet, sondern gehören zum Alpenbogen wie die atemberaubenden Nadelspitzen im Salzkammergut. Dafür stehen die Klettergartentürme Däumling & Dickkopf (330 m) bei Dürnstein in der Wachau abseits der Alpen, sind aber genauso verlockend wie andere ausseralpine Türme, zum Beispiel in der Fränkischen und in der Sächsischen Schweiz. Kurz, Stefan: Ein bärenstarkes Buch hast gemacht. Und ich freue mich auf Band 2. Denn auf dich – und somit auf uns – warten noch viele weitere „Da muss ich hinauf“-Türme. Ich nenn nur drei, auf denen ich zum Glück schon oben war: die Petite Aiguille in den Calanques, die Aiguille Dibona im Massif des Écrins und die Aiguille de la Mort im Schweizer Jura.

Auf dem Girenspitz, dem sogenannten Matterhorn des Alpsteins, stand ich leider noch nie. Zahlreiche andere Zinnen und Zacken in diesem Gebirge rund um den Säntis kenne ich ebenfalls nur halbwegs aus der Literatur oder aus der Ferne, wie die acht Kreuzberge, aber nicht mit Hand und Fuss. Ja, eigentlich war ich dort nur ein oder zwei Mal mit den Tourenski unterwegs. Dabei ist der Alpstein ein Wander- und Kletterparadies. Wer nun aber den Kalk hautnah spüren möchte, neben dem schmalen Südrippli noch das breite umfassen, den Tobleroneweg auf den Girenspitz einverleiben oder die Route „Heisse Liebe“ ob der Meglisalp erleben möchte, greift zum Kletterführer „Alpstein“ von Werner Küng. 384 Seiten voller hakengenauer Topos, gut abgestuften Fotos und mit allen nötigen Infos und Übersichten machen aus dem Buch die Kletterbibel des Alpsteins. Mit ihr finden alle, Einsteiger und Vorsteigerinnen, ihr Kletterglück und Seelenheil. Zum Beispiel in der Route „d’Hend verchritzt“ am vierten Kreuzberg. Kommentar von Küng: „Steile, schöne Risskletterei. Der Name ist Programm!“

Und wenn wir die Hände schon in den Riss gezwängt haben und turmwärts nach oben entschwinden: Eines der Klettermekkas der Alpen ist Arco am Gardasee. Im April 2022 ist die fünfte Ausgabe von „Klettern in Arco“ bei den Edizioni Versante Sud herausgekommen, 720 Seiten mit 5000 Routen in 130 Klettergebieten. Wahnsinn! Auf dem Cover Stefano Ghisolfi in der stark überhängenden Route „The Lonely Mountain“ im Gebiet Eremo di San Paolo. Der einsame Berg, so könnten doch Türme bezeichnet werden. Sie stehen für sich und warten darauf, dass jemand davor steht und sagt: Da möchte ich hinauf. Jedoch nicht vergessen: Ewig oben bleiben geht nicht.

Stefan Stadler: 50 Türme – exponierte Klettertouren. Eigenverlag Stefan Stadler, 2022. € 44,50. https://stefanstadler.com/tuerme-50-klettertouren/

Werner Küng: Klettern Alpstein. Säntis/Kreuzberge/Hundstein/Altmann. Weber/SAC-Verlag, Thun/Gwatt 2022, Fr. 59.-

Mario Manica, Antonella Cicogna, Roni Andres: Klettern in Arco. Edizioni Versante Sud, Milano 2022, € 35,00.

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