Hütten

Hütten sind die Sehnsuchtsorte der Alpen. Nicht der Gipfel ist das Ziel, sondern das gemütliche Refugium ohne Dusche und WLAN. Nicht hoch hinaus wollen wir, sondern dicht gedrängt um den Holztisch sitzen, Spaghetti und ein Glas Roten serviert bekommen von der jungen Hüttenwartin. Wem die Wolldecken zu kratzig und die modernen Duvets zu stinkig sind, hat hier die Wahl zwischen fünf Büchern. Fürs Sofa zuhause, WLAN und Dusche inklusive.

„Diese Hütte ist nicht ohne,
Doch Ida ist der Frauen Krone.
Drum lass‘ ich Hütte Hütte sein
Und kehre bei der Ida ein.
Wird der Kopf mir dann zu schwer,
So lieb‘ ich süssen Schlummer sehr;
Dann lass‘ ich Ida Ida sein
Und leg‘ mich hier ins Stroh hinein.“

Aus dem Hüttenbuch der Clubhütte, welche der Schweizer Alpen-Club SAC an der ersten Landesausstellung von 1883 in Zürich aufstellte; die Hütte war eine Kopie der Spannorthütte. In das Buch schrieben sich 12000 Besucher ein. Das Gedicht findet sich im Artikel „Ein interessantes Fremdenbuch“ in der „Schweizer Alpen-Zeitung“, Nr. 24, 30. November 1883, S .237. Bevor wir uns nun aber aufs Stroh oder auch aufs Sofa beim Weihnachtsbaum legen, hier ein paar neue Hüttenbücher, die wir schön verpackt unter denselben legen mögen.

cover-huetten-1

An erster Stelle sei eine doppelbändige Publikation empfohlen, die der Deutsche Alpenverein, der Österreichische Alpenverein und der Alpenverein Südtirol gemeinsam herausgegeben haben: „Hoch hinaus! Wege und Hütten in den Alpen.“ Ein in jeder Hinsicht gewichtiges Werk zur Kulturgeschichte und Architektur der Hütten und Wege, mit insgesamt 674 Seiten, 570 s/w- und 308 farbigen Abbildungen; die beiden Bände sollten in keiner Haus- oder Hüttenbibliothek fehlen.

In Band 1 widmen sich 12 Kapitel ausführlich dem ganzen komplexen Thema, allen voran Martin Scharfes „Wege ins Behauste, Wege ins Offene.“

cover-huetten-2

Diesen Essay wie natürlich das ganze Buch dürfen auch solche Bergsportler und Sofawanderer lesen, die noch nie in einer Hütte übernachtet haben – und dies auch nicht vorhaben; schon gar nicht in der kalten Jahreszeit, wenn in vielen Hütten nur die ungemütlichen Winterräume zugänglich sind, wenn überhaupt. Für Band 2 hat Michael Guggenberger alle Hütten, Biwaks und Aussichtswarten des Alpenvereins erfasst, die aktuellen und die aufgelassenen; insgesamt rund 1800 Bauwerke, in den Alpen, im Harz oder in den Anden, ob am Berg oder im Tal. Um in der Skihütte Ankl-Alm (1320 m) in den Bayerischen Voralpen den Sylvester zu feiern, ist es leider viel zu spät; sie diente nur einen Winter lang als Skihütte, um 1925…

cover-huetten-3

„Hütten. Sehnsuchtsorte in den Alpen“ heisst das grossformatige Werk von Bernd Ritschel (Fotos) sowie Tom Dauer und Sandra Freudenberg (Text). Das Trio porträtiert ausführlich 17 Hütten in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz (hier Sciora, Coaz und Lauteraar) und stellt kurz noch andere Hütten und Biwaks vor, mit Bildern und/oder Stichworten.

Insgesamt 50 Unterkünfte in den Alpen, die einen Besuch lohnen; wenn nicht zu Fuss oder auf Ski, dann wenigstens vom Sofa aus. Denn Bernd Ritschel macht einfach sehnsuchtsvolle Fotos. „Hoch hinaus!“, denkt und wünscht man sich.

cover-huetten-4

Genau das können wir im höchsten Massiv der Alpen mit Hochgenuss und hoher Anstrengung bestens tun. Beispielsweise im Refuge Vallot gut 400 Höhenmeter unter dem Mont Blanc; dort fanden schon zahlreiche Alpinisten rettenden Unterschlupf. So einst auch Peter Habeler, wie er im Buch „Das Ziel ist der Gipfel“ erzählt: „Als wir um drei Uhr nachmittags endlich auf dem Montblanc standen, waren wir völlig erschöpft. Noch mussten wir hinunter zur Vallothütte, wo wir ein weiteres Mal nächtigten.“ Nicht nur der Gipfel und der Weg sind das Ziel, sondern eben auch die Hütte.

cover-huetten-5

Vielleicht sind es ganz besondere Bauten im Gebirge, wie diese da: „Wilde Hütten. 20 einzigartige Berg-Refugien ohne Dusche oder Wlan“. Eine 72seitige Broschüre, die Mountain Wilderness Deutschland herausgegeben hat. Darin präsentieren sieben Bergsteiger und Bergsteigerinnen ihre Lieblingsschutzhäuser in den Ostalpen, die „den richtigen Spirit bewahren, ehrenamtlich bewartet werden, Selbstversorgerhütten sind und/oder sich in auβergewöhnlicher Lage befinden“, wie es auf Rückseite heisst. Aber aufgepasst: Es könnte recht eng werden, zum Beispiel in der Biwakschachtel Breitgrieskarscharte im Karwendel mit gerade mal 3 Lagern.

Bevor wir über Weihnachten oder dann im nächsten Jahr in eine Hütte aufbrechen werden, hier noch zwei Tipps:
1) Die Ausstellung „Dreamland Alps – Utopische Projektionen und Projekte in den Alpen“ im Castello di Sasso Corbaro, dem obersten Schloss von Bellinzona, zeigt noch bis zum kommenden 8. Januar 23 Bauten mit Texten, Bildern und Modellen, darunter auch das geniale, tonnenförmige und leider nie gebaute Biwak von Charlotte Perriant und Pierre Jeanneret von 1938 sowie die bisher noch nicht realisierte Alpine Capsule von Ross Lovegrove auf dem Piz La Ila in den Dolomiten. Der Aufstieg vom Bahnhof Bellinzona zum Sasso Corbaro dauert nur 45 Minuten.
2) Nur bis zum 2. Januar kann die einzige SAC-Hütte in einer Stadt besucht werden. Während des Festivals Live on Ice beim Landesmuseum in Zürich ist der SAC wie 1883 mit einer Hütte vor Ort; Hüttenteams bereiten feine Gerichte zu, inklusive Schlummertrunk. Prost, e Guete und frohe Weihnachten!

Hoch hinaus! Wege und Hütten in den Alpen. Herausgegeben vom Deutschen Alpenverein, Österreichischen Alpenverein und Alpenverein Südtirol. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2016, 50 €.

Bernd Ritschel, Tom Dauer, Sandra Freudenberg: Hütten. Sehnsuchtsorte in den Alpen. National Geographic Verlag, München 2016, Fr. 48.50.

Dominique Potard: Les refuges du Mont Blanc. Éditions Guérin, Chamonix 2016, 56 €.

Wilde Hütten. 20 einzigartige Berg-Refugien ohne Dusche oder Wlan. Mountain Wilderness Deutschland, Wörthsee 2016. Zu beziehen unter info@mountainwilderness.de oder gleich herunterladen bei www.mountainwilderness.de.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert