Stetes Lernen ist wichtig, sagt man. Den Bedürfnissen nachkommen auch, sage ich. Was das eine mit dem andern zu tun hat. Und wie gerne man sich ablenken lässt. © Annette Frommherz
Das Mädchen vor mir kichert und presst den Stoffbären an sich.
Meine Gedanken lassen mich weg ziehen. Ich schaue in die Ferne. Weit hinten im nachmittäglichen Dunst ist der Speer zu sehen mit seinem schrägen Kamm, als wärs die Startrampe in den Himmel.
Auf dem Speer war ich noch nie. Vor Jahren wanderte ich mit einer Freundin durch den Dürrwald in die Oberkäseren, wo wir werweissten, ob wir doch noch auf den Speer sollten oder nicht. Schlussendlich entschieden wir uns dagegen. Ohne zu wollen ein weiser Entscheid, denn talwärts lösten sich die Sohlen der alten Bergschuhe, die mir meine Mutter geliehen hatte. Die Schnürsenkel benutzte ich kurzerhand dafür, sie um Sohle und Schuhrücken zu binden, um so halbwegs unser Ziel zu erreichen.
Das Mädchen vor mir bläst seine Backen auf. Mit der einen Hand hält es den Bären fest beim Hals. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, haben Stoffbären gar keine Hälse. Sie haben einen Rumpf, und auf diesem ist gleich der Kopf aufgesetzt.
Für alles, was ich gerne tun würde, reicht sie nicht, die Zeit, die schneller dahinfliegt als mir lieb ist. Die Stunde hat sechzig Minuten, der Tag vierundzwanzig Stunden und die Woche sieben Tage. Nicht mehr und nicht weniger. Ich kann es drehen und schieben, wie ich will.
Der Speer hat keinen Platz in meinen Plänen. Weder der Speer noch der Leistkamm noch der Gulmen, all die kleineren Eroberungen in der Nähe. Nicht heute und auch an den nächsten Wochenenden nicht. Und weil ich das weiss, wird die Sehnsucht nach den Bergen umso grösser.
Das Mädchen vor mir schaut mich ernst und mit grossen Augen an. Ich versuche, beim Thema zu bleiben: Smart-Formel, Eisenhower-Prinzip und Stakeholder. Alles muss in meinen Kopf. Kein Leben strömt aus diesem Buch, kein samtener Geruch, kein farbiges Bild; nicht ein einziger Grashalm, der im Winde sich wiegen könnte. Nur Diagramme, Hinweise und Umweltsphären in Buchstaben. Harte Wörter und trockene Materie. Kommerz gegen Empfindung. Weiterbildung versus dringendes Bedürfnis. Zeitmanagement gegen Seil und Karabiner. Wille kämpft mit Widerwillen.
Das Mädchen vor mir stemmt seine dicken Beinchen in den Boden. Sein Blick ist grimmig, die Lippen dünn. Unvermittelt streckt es mir die Zunge heraus. Dann lässt es den Bären fallen und rennt weg. Ich lege das Buch zur Seite, hebe den Bären auf und klopfe ihm den Staub vom Bauch.