Bekannt, geschätzt, gelesen, vergessen. Das Schicksal des Schriftstellers und Alpinautors Alfred Graber steht für viele Erfolgsgeschichten, nicht nur in der Literatur.
Ich erinnere mich, dass ich seine Bücher in Bahnhofkiosken aufliegen sah und bei manchen Freunden im Büchergestell. Alfred Graber: Melodie der Berge; Ihr Berge, strahlend unvergänglich. Romantische Titel und so romantisch sehnsuchtsvoll die Inhalte, Bestseller eben. Als ich mich zum ersten Mal mit einem eigenen Buchprojekt beschäftigte, schrieb ich einen Brief ins Tessin, wo Graber seinen Lebensabend verbrachte, und bekam freundliche, väterlich-mahnende Antwort. Seine Bücher allerdings hatte ich nicht gelesen, für uns Extremkletterer waren sie zu sanft, da war viel von Wandern und von Liebe die Rede, das zweite wäre ja noch durchgegangen. Alpinliterarisch begeisterten wir uns für Buhl, Hiebeler, Livanos und Rébuffat, die Zünftigen, die Vorbilder. Die Melodie der Berge, das war für uns das «Tingeln der Karabiner am Fels», wie sie Jürg Weiss beschrieben hat im Bericht über die Erstbegehung des Bügeleisens an den Gemelli. Auch er übrigens ein vergessener Alpinist und Autor.
Als jung war Graber ein beachtlicher Kletterer, beschreibt in seinen frühen Werken einen Erstbegehung am Sunnig Wychel, Klettereien in den Kreuzbergen, am Zinalrothorn. Bald gab er das Klettern auf, blieb aber Mitarbeiter alpiner Zeitschriften und löste einmal gar in SAC-Kreisen eine heftige Debatte aus über das Thema Berg und Frau: «Alles Wandern in die Ferne ist unerlöste Sehnsucht nach dem Weibe.» Über diese, eigentlich von Grabers Freund Henry Hoek aufgeworfene These kann man geteilter Meinung sein. Jedenfalls eilte Graber damals auch sein literarisches Vorbild Hans Morgenthaler zu Hilfe: Auch er hatte sich gelegentlich mit Aussagen über Berg und Frau in die Nesseln gesetzt. Morgenthaler ist neu entdeckt worden, doch sein wichtigstes Werk «In der Stadt», eine Art Anti-Berg-Roman, blieb dabei vergessen.
Von Grabers Werken hat mich vor allem seine Autobiogafie «All die vergessenen Gesichter» interessiert, eine Erinnerung an Freunde, an bekannte und unbekannte Autoren, vor allem auch alpiner Literatur. (Autorinnen kommen fast keine vor.) Das Buch gibt einen Einblick in die Bergliteratur der Zwanziger- und Dreissigerjahre «an einem Wendepunkt des Alpinismus». Es war der Beginn des modernen Extrembergsteigens, des Wettlaufs um die grossen Nordwände und der Expeditionen zu den höchsten Bergen der Welt. Grabers Schul- und Lebensfreundschaft mit dem bekannten Kommunistenführer Edgar Woog (rechts im Bild) mag ihn vielleicht davor bewahrt haben, lauthals in den Blut-und-Boden-Chor der alpinen Literatur jener Zeit einzustimmen. Ein Romantiker voller Pathos blieb er allemal.
«All die vergessenen Gesichter» – nun gehört auch Alfred Graber dazu. Und wir alle wohl auch bald.
Mehr über Alfred Graber, Jürg Weiss und Hans Morgenthaler in meinem Buch «Dichter am Berg», AS Verlag, Zürich 2009 – und jetzt auch auf iPhone: http://itunes.apple.com/ch/app/dichter-am-berg/id353730504?mt=8
Zur Erinnerung an Graber und Weiss habe ich kürzlich auch Einträge auf Wikipedia verfasst:
http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Graber
http://de.wikipedia.org/wiki/Jürg_Weiss
Habe zufällig das Buch Träume enden am Himmelsrand in meiner Bibliothek gesehen und zu lesen begonnen. Schon ab den ersten Zeilen war ich fasziniert ab der sanften und diskreten Poesie des Textes. Bin froh, wieder einmal etwas so schönes gelesen zu haben.(Ausser Fachliteratur).Bin 1944 geboren.