Alpen-Blicke

Frisch und frech, munter und mahnend. Und stark, ganz stark. Ein Bildband über die Alpen, einer von vielen und doch ganz anders, wie die begeisterten Adjektive unseres Rezensenten belegen, der schon unzählige Bücher dieses Genres gesehen, begutachtet und besprochen hat. Fotograf Hans-Peter Jost hat lange im Ausland gelebt – vielleicht ein Grund für seinen scharfen und kritischen Blick auf die Alpen.

Berge sind nicht zum Schmusen da.
Berg ist Berg.
Ende der Durchsage.

Und Ende eines Textes in einem aussergewöhnlichen Fotobuch zum Berg. Zum helvetischen Berg. Zum urschweizerischen Gebirge: zu den Alpen. Hans Peter Jost hat sie fotografiert, hält sie fest auf 240 Fotografien. Und wenn wir diese angeschaut, bewundert und verglichen, wenn wir auch die klugen Texte von Mario F. Broggi, Erwin Koch, Helmut Scheben und Emil Zopfi gelesen haben, müssen wir feststellen: Obwohl der Berg schon Berg ist, ist er doch zum Schmusen da. Zum Besteigen und Befahren. Zum Bepflanzen und Bebauen. Zum Beschiessen und Belöchern. Zum Bejodeln und Bewerben. Und zum Fotografieren. Das Titelfoto von Josts „Alpen-Blicke.ch“ zeigt fotografierende und picknickende Touristen auf dem Eggishorn, mit dem Aletschgletscher, der ruhig und quer durch Bild und Landschaft fliesst. Auf der Rückseite blickt eine Kuh verwundert zu zwei Wanderern, die auf der Furkapass-Strasse flanieren – wenigstens scheint es so, denn die Kuh ist aus Kunststoff.

Berg ist also nicht Berg, obwohl das Valentin Sicher, Sicherheitsbeauftragter der Transtec Gotthard, im Text „Der Tunnel, die Widerlegung der Alpen“ behauptet. Aber er hat berufsbedingt einen andern Blick als der Fotograf. Und dieser hat die Alpen der Schweiz draussen und drinnen, im Gebirge selbst, aber auch in der Stadt, bei den Berglern und bei den Bergreisenden, vom Panorama bis zum Detail mit seiner Kamera erfasst. Und legt diese Bestandsaufnahme nun unter den vier Stichworten Heimat, Energie, Freizeit und Tourismus vor. Fröhlich und traurig stimmende Fotos, zum Nachdenken und Schmunzeln anregend, zum Kopfschütteln, aber in beide Richtungen. Stark, ganz stark.

Entstanden ist eine ebenso überraschende wie vielfältige Mischung aus Persönlichem und Umfassendem. Kraftwerk trifft auf Kraftort, Horden auf Heimat, Ökologie auf Ökonomie, Kuh im Hauptbahnhof Zürich auf Kuh am Schlager-Openair „Der Berg bebt“ auf dem Flumserberg. „Man muss sich fragen, ob der Erlebnismarkt noch Grenzen kennt, oder ob der Umbau der Alpen zum Disneyland beschlossene Sache ist.“ Das fragt sich Helmut Scheben zur Gegenwart und Zukunft des urschweizerischen Gebirges. Wie trist aber auch die Vergangenheit sein konnte, schildert Erwin Koch mit einem Porträt der letzten Winterwartin auf dem Pilatus. Und Emil Zopfi blickt mit „Die Kaffetasse im Stausee“ weit über den Horizont.

Augenblick mal! ruft der Bildband „Alpen-Blicke.ch“ von Hans Peter Jost uns zu, frisch und frech, munter und mahnend. Die letzte Foto zeigt den gross angeschriebenen Exit durch Drehkreuze an der Gornergratbahn, jenseits der Sperre warten eine rote Kuh mit Schweizer Kreuzen und Wolli, das Maskottchen von Zermatt, und ganz hinten stehen Dent Blanche und Obergabelhorn, still und stumm. Welcome im Playground of Switzerland!

Hans Peter Jost: Alpen-Blicke.ch. Heimat, Energie, Freizeit, Transit. Mit Beiträgen von Mario F. Broggi, Erwin Koch, Helmut Scheben und Emil Zopfi. Scheidegger & Spiess, Zürich 2017, Fr. 59.-. www.scheidegger-spiess.ch

Buchvernissage von Hans Peter Josts Alpen-Blicke.ch am Samstag, 29. April, um 19 Uhr im Alpinen Museum, Bern, moderiert von Katharina Conradin, Geschäftsleiterin von mountain wilderness Schweiz.

Passend zu diesem Alpen-Blick auf die Schweiz sei auf zwei laufende Ausstellungen hingewiesen. In der Fotostiftung Schweiz in Winterthur ist noch bis am 7. Mai 2017 die Ausstellung „Fremdvertraut. Aussensichten auf die Schweiz“ zu sehen; www.fotostiftung.ch

Das Museum für Gestaltung in Zürich zeigt bis am 9. Juli 2017 „Macht Ferien“ mit Tourismusplakaten zur Schweiz aus der eigenen Sammlung; www.museum-gestaltung.ch

Noch in weiter Ferne, doch der nächste Winter kommt bestimmt bzw. ist Ende April 2017 schon mal bis ins Flachland zurückgekommen:
In BSINTI, dem Ort für Kultur und alpine Fotografie in Braunwald, sind vom 16. Dezember 2017 bis zum 2. April 2018 die „Alpen-Blicke.ch“ von Hans Peter Jost zu sehen; www.bsinti.ch

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