Alpen – oben und unten

Zwei schön gebundene, dicke Bücher über die Alpen. Überraschend in allerlei Hinsicht.

«Im Nordwesten des schweizerischen Mittellandes erhebt sich ein Mittelgebirge, dessen Kalkgesteine in der erdgeschichtlichen Periode des Jura, vor etwa 200 bis 145 Millionen Jahren, als Sedimente in einem flachen, warmen Meer entstanden sind – daher trägt es auch den gleichen Namen. Gehoben und verfaltet wurde der Jura vor zehn bis fünf Millionen Jahren während der letzten Entstehungsphase der Alpen. Im französischen Savoyen, zwischen Chambéry und Grenoble, treffen die beiden Gebirge so nahe aufeinander, dass sich die südlichste Jurafalte direkt vor der geologisch ähnlichen Alpengruppe der Chartreuse aufwölbt. Dazwischen verbirgt sich in der Nähe des Dorfes Les Échelles eine kleine romantische Schlucht.»

Wusste ich nicht, dass sich die beiden Gebirge der Schweiz südlich von Genf fast berühren. Dass man durch die Berührungskluft wandern kann, auf der im 17. Jahrhundert erbauten „Sardinischen Strasse“. Und dass die dortigen Karsthöhlen, die Grottes de Saint Christophe, zu besuchen sind. Der Wandervorschlag „rechts die Alpen, links der Jura“ hat die Nummer 001 im rundum gewichtigen Bildbandführer „Die anderen Alpen. Wilde Landschaft, rätselhafte Plätze, alte Wege. 230 Wanderziele, die dich ins Staunen versetzen“ von Wolfang Heitzmann. Das tut er. Allein schon mit dem ersten Kapitel: „Wo die Alpen beginnen – und wo sie enden“. In Frankreich noch an den Alpilles im Herzen der Provence und natürlich an der Côte d’Azur, beispielsweise in Monaco. In Italien in der Bocchetta di Altare am Beginn (oder Ende) des Apennins und in den Julischen Alpen unweit der Adria. Sowie in Österreich im Wienerwald, im Leithagebirge und in den Ungarischen Alpen. Ungarn als neunter Alpenstaat – man lernt nie aus. Der Geschriebenstein/Írott-kő (884 m) ist der höchste Berg von Westungarn, des Burgenlandes sowie des Günser Gebirges ganz im Osten der Alpen.

Logischerweise sind nicht alle 230 Wanderziele zwischen Wien und Nizza so überraschend wie der Geschriebenstein. Schnidejoch und die Sieben Brunnen im westlichen Berner Oberland wird man vom Hörensagen kennen, ja hoffentlich erwandert haben. Das Besondere aber an Heitzmanns wunderbar illustriertem Wanderwälzer – 25 x 36 cm gross, 384 Seiten dick, gut 2800 gr schwer – liegt neben der sorgfältigen und überraschenden Auswahl der Touren in ihrer besonderen Vorstellung. Die fünf Hauptkapitel mit Titeln wie „Baustelle Bergwelt“ oder „Die Ersten da oben“ umfassen mehrere Unterkapitel mit jeweils passenden Wanderungen aus dem ganzen Alpenbogen. So werden unter „Immer der Schwerkraft nach // Wo Berge stürzen und Hänge rutschen“ unter anderen der Flimser Bergsturz, ein Blockgletscher bei St. Moritz und der Ötztaler „Vulkan-Bergsturz“ vorgestellt. Zudem werden verschiedene Themen wie Gletschertöpfe, Römerstrassen und Durchkriechsteine in eigenen Beiträgen weiter vertieft. Kurz: ein Alpenbuch mit Hand und Fuss.

Das lässt sich leider von „Berge der Alpen. Daten, Geschichten und Illustrationen zu 134 bedeutenden Gipfeln in allen Alpenländern“ nicht behaupten. „Alle Berge werden mit den wichtigsten geografischen Daten vorgestellt“, heisst es auf der marmotamaps-Website: „Das Buch liefert Angaben zum Bergsteigen wie der Aufstiegsgeschichte, Schwierigkeit des Aufstiegs und den wichtigsten Berghütten in der Umgebung. Es präsentiert spezielle Kletter-, Wander- und Skitourenberge und Gipfel, an denen sich bereits heute die Folgen von Klimaveränderungen im Hochgebirge zeigen. Dazu gibt es zu jedem Berg weitere besondere Informationen und Geschichten.“ Ich habe mir die 35 Schweizer Gipfel genau angeschaut. Bei Eiger, Rigi, Piz Kesch und Piz Val Gronda musste ich nichts korrigieren. Sonst gibt es immer grosse und kleine Fehler, oder es fehlt eine Info. So fehlt das Arbenbiwak bei den „Hütten am Berg“ des Obergabelhorns. Beim „benachbarten Matterhorn im Süden“ hingegen der erstaunlichste Fehler, mit dem Signet „Skitourengipfel“. Man lernt nie aus…

Wolfgang Heitzmann: Die anderen Alpen. Wilde Landschaft, rätselhafte Plätze, alte Wege. 230 Wanderziele, die dich ins Staunen versetzen. Kompass Karten, Innsbruck 2023, € 50,00.

Lana Bragin, Stefan Spiegel, Tobias Weber: Berge der Alpen. Daten, Geschichten und Illustrationen zu 134 bedeutenden Gipfeln in allen Alpenländern. Marmota Maps, Hamburg 2022, € 29,00.

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