Alpenkrimis

Auf der Alm da gibts koa Sünd – von wegen! Aber die Sünde kann ganz schön unterhaltsam sein, vor allem in den Alpenkrimis des Bayern Jörg Maurer.

hochsaison

„Shan hörte das Tosen der Höllentalklamm schon von weitem. Als sie näher kam, atmete sich die Luft feucht wie in einer Waschküche. Die Wassermassen zwängten sich wütend durch die enge, zackige Felsspalte, Gischt spritzte hoch, und ein eiskalter, böser Wind pfiff schneidend durch die Klamm. Es war ein gefährlicher Klettersteig nach unten zum gesicherten Touristenweg, sie musste höllisch Acht geben, nicht auf den glitschigen Steinen auszurutschen. Aber sie war diesen Weg gekommen, sie würde diesen Weg wieder zurückgehen. Beim Aufstieg hatte sie allerdings noch kein zerschossenes Knie gehabt.“

Eine Szene, die von Ferne (oder auch aus der Nähe) an die berühmte mit Sherlock Holmes und seinem Gegenspieler Professor Moriarty beim Reichenbachfall ob Meiringen erinnert, in Arthur Conan Doyles Geschichte „Sein letzter Fall“ [The Final Problem] von 1893. An schwindelerregender Stelle verlor der englische Meisterdetektiv Sherlock Holmes am 4. Mai 1891 (scheinbar) sein Leben, als er den König der Londoner Unterwelt endlich gestellt hatte.

Ob Shan ihren Rückzug wohl schafft? Wir hoffen es eigentlich nicht, denn sie ist eine Auftragskillerin. Und eine der Drahtzieher (im wahrsten Sinn des Wortes!) im zweiten Krimi des bayerischen Musikkabarettisten Jörg Maurer. Eine wunderbar schräge, bös-lustige, präzise, verschachtelte, pointenreiche, mit prächtigen Randfiguren angereicherte Geschichte um einen scheinbaren Unfall beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen. Natürlich war es kein Unfall, sondern ein ganz gemeiner, genial ausgeheckter Anschlag. Aber wer steckt dahinter? Wer will die „Hochsaison“ (so der Titel) kaputtmachen? Ein Fall für Kommissar Jennerwein und sein Team. Ein Fall für uns Leser. Der Untertitel „Alpenkrimi“ legt keine falsche Fährte. Der Krimi spielt in den Alpen, behandelt gar bergsportliche Aktivitäten, wie etwa Skispringen oder Schluchtwandern. Da kann einem das Knie schon kaputtgehen, normalerweise allerdings nicht wegen eines Pistolenschusses.

„Hochsaison“ gefiel mir noch besser als Maurers Erstling „Föhnlage“. Doch wer einmal in den Sog dieser Alpenkrimis geraten ist, wird ungeduldig auf den dritten Band warten.

Das kann man nicht von allen in den Alpen angesiedelten Krimis behaupten. In Felix Leibrocks „Almrausch“ wird zwar etwas geklettert und auch das Schloss Juval von Messner besucht, aber eigentlich geht es vor allem um die Zeugen Jehovas. Vielleicht gedeihen sie in den Bergen besser als anderswo… Die Sprache in Ernesto Kellenbergers „Pulver gut…?“ ist so glatt wie eine zerfurchte Piste, auf der die Gefahr gross ist, dass man stecken bleibt. Und bis der erste Mord begangen wird, werden einige Cüpli geleert und einige Aktien- und Busenkurven des St. Moritzer Jet-Set studiert. Auf Seite 19 sagt sich eine Hauptfigur, ein Kantenschliff würde etwas bringen. So was täte manchmal auch Bergbüchern gut.

Mehr über Bergliteratur am Montag, 3. Mai 2010, um 18.30 Uhr im Züri Littéraire im Zürcher Kaufleuten. Röbi Koller unterhält sich mit Evelyne Binsack, Robert Bösch, Emil Zopfi und Daniel Anker.

Jörg Maurer: Föhnlage (2009); Hochsaison (2010), Fischer Taschenbuch Verlag, je 15.90.
Felix Leibrock: Almrausch. Ein Krimi aus Südtirol, Rosenheimer Verlag 2009, Fr. 22.70
Ernesto Kellenberger: Pulver gut…? Books on demand 2009, Fr. 31.90

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