„Ich möchte meine Berge sehen“: So heisst ein neues Buch zu den Schweizer Alpen. Dominik Siegrist hat die ganzen Alpen gesehen, auf dem langen Marsch von Wien nach Nizza.
Herr Siegrist, vor 26 Jahren haben Sie die Alpen schon einmal durchquert. Was hat sich seitdem verändert?
Dominik Siegrist: Das Auffälligste sind die Gletscher. Wie sehr das Eis in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist – das ist schon extrem.
Ausschnitt aus dem Interview mit dem Geografen Dominik Siegrist (*1957), befragt von der Tageszeitung „Die Welt“ zur zweiten Durchquerung des gesamten Alpenbogens vom 3. Juni bis 29. September 2017. Das Interview beschliesst sein Buch „Alpenwanderer. Eine dokumentarische Fuβreise von Wien nach Nizza“. Siegrist, Leiter des Instituts für Landschaft und Freiraum und Professor für naturnahen Tourismus und Pärke an der HSR Hochschule für Technik Rapperswil, wanderte 1992 schon einmal von Wien nach Nizza, als Teil der Gruppe TransALPedes. „Wir wollten damals“, so schreibt er heute, „ein Zeichen setzen gegen die Zerstörung der Alpen, gegen den Massentourismus, die Betonierung der Berge.“ Nun, mit „whatsalp Wien-Nice 2017“, ging es darum, die ökologischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen festzuhalten, den Zustand der Alpen zu dokumentieren.
Mit Dominik wandern wir mit vom Stephansplatz in Wien bis zur Promenade des Anglais: 119 Tage mit 93 Wander- und 26 Ruhetagen, 1800 Kilometer zu Fuss und selten in flachen Alpentälern mit dem Radl, 75‘000 Höhenmeter auf und ab, begleitet von insgesamt 200 Mitwanderern, zahlreichen Leuten begegnend, unzählige Eindrücke erlebend. Schön gebündelt und sauber Schuhe, Rucksack und Themen geschnürt: Hochspannend und tiefschürfend erzählt Siegrist von dieser Fussreise durch das Gebirge, das wie kein anderes auf der Welt von Menschen beeinflusst wird. Und trotzdem immer noch Natur pur zeigt – einfach mit weniger Eis und mehr Geröll. Im Jahr 2042, so gibt Siegrist im Interview bekannt, will eine Gruppe Jugendlicher, die mit whatsalp abschnittsweise mitwanderten, die Alpendurchquerung wiederholen. Sie werden wieder eine stark veränderte Alpenlandschaft antreffen.
In einem anderen Alpenbuch, ebenfalls jüngst im Berner Haupt Verlag herausgekommen, verfasste Dominik Siegrist das Kapitel „Vom alpinen Naturraum zur Kulturlandschaft – eine Reise vom Säntis zur Adula“. Andere Kapitel befassen sich mit der Geologie, dem Wasser, den Bergwäldern, der Fauna und der Flora in den Schweizer Alpen. Der Herausgeber heisst Franz Ebner, der Titel „Ich möchte meine Berge sehen. Von der Vielfalt und Schönheit der Alpen.“ Illustriert ist das Buch mit eher wenigen, dafür starken Farbfotos. Die meisten doppelseitigen Aufnahmen sowie das Coverbild (mit Piz Palü und Piz Bernina) stammen von Marco Volken. Ein Bild zeigt Kistenstöckli und Piz d’Artgas im Bündner Oberland – eine rötlich-braun-graue Gebirgslandschaft, mit ein paar allerkleinsten weissen Flecken. Ob die Alpen in der Mitte unseres Jahrhunderts vor allem so aussehen werden?
Dominik Siegrist: Alpenwanderer. Eine dokumentarische Fuβreise von Wien nach Nizza. Haupt Verlag, Bern 2019, Fr. 29.-
Franz Ebner (Hrsg.): Ich möchte meine Berge sehen. Von der Vielfalt und Schönheit der Alpen. Mit Beiträgen von Hanspeter Baumgartner, Peter Brang, Constanze Conradin und Sonja Hassold, Mark Feldmann, Bruno Schädler, Dominik Siegrist, Urs Tester. Haupt Verlag, Bern 2019, Fr. 44.-
Doppelvernissage «Alpen» zu den beiden vorgestellten Büchern am Montag, 28. Oktober 2019, um 19.00 Uhr in der Buchhandlung Haupt am Falkenplatz 14 in Bern. Eintritt frei, Platzreservation empfohlen unter www.haupt.ch/Events/Doppelvernissage-Alpen.html.