Zwei neue Bücher zur Geschichte des Alpinismus, ein britisches und ein deutsches. Die Engländer klettern besser.
For many years the British climbing establishment was in denial about the central role of pride, ambition und competition in climbing, maintaining that it undermined the aesthetic and spiritual elements of the sport and threatened the fundamentally uncompetitive relationship between man and mountain. But John Tyndall, the pioneering alpinist, was surely motivated by pride when he “pressed the very highest snowflake of the mountain and the prestige of the Weisshorn was forever lost.”
Und wie waren die Engländer, ja die Alpinisten überhaupt, schon immer auch vom Stolz motiviert, als Erste auf einem Gipfel zu stehen, eine neue Route zu begehen, eine möglichst schwierige Wand oder auch nur Stelle zu klettern! Das ist ein Fazit, welches Simon Thompson in „Unjustifiable Risk? The Story of British Climbing“ zieht. Auf knapp 400 Seiten erzählt der Autor die rund 200jährige Geschichte des britischen Bergsteigens, von den ersten Touristen, die sich in die Alpen vorwagten, bis zu Sportkletterern, denen die heimischen Felsen als Playground mehr als genügen. Dabei zählt Thompson nicht nur auf, wer wann welche Route wie geklettert ist, sondern beleuchtet auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Hintergründe sowohl des Bergsteigens in den Alpen oder in den sogenannten Greater Ranges (wie Kaukasus und Himalaya) wie des Kletterns zu Hause. Das ist auch immer wieder das Faszinierende am Buch, während man bei den Angaben zu den Schwierigkeiten der Routen im Lake District oder in Scotland schon die Übersicht verlieren kann.
Dass das mit 40 Fotos illustrierte Buch aus britischer Sicht geschrieben ist, merkt man im Kapitel zum klassischen Alpinismus zu gut. Da erhält man zu stark den Eindruck, vor den reichen Touristen aus englischen Städten sei kaum jemand auf die Alpengipfel geklettert; da fehlen teilweise die Namen der Führer, mit denen die Briten dann ihre Erstbesteigungen unternahmen. Und noch immer wird der Beginn des Goldenen Zeitalters des Alpinismus auf 1854 gelegt, als Alfred Wills die fünfte Besteigung des Wetterhorns machte und darüber einen schönen Bericht schrieb. Dabei fängt „the Golden Age“ mit der Erstbesteigung der Dufourspitze, des höchsten Gipfels des Monte Rosa, durch fünf Engländer und drei Schweizer am 1. August 1855 an, und mit der ersten führerlosen Besteigung des Mont Blanc und des Breithorns bei Zermatt durch Charles Hudson und Co. im gleichen Jahr. Keine Fragen gibt es zum Ende dieses Zeitalters beim Bergsteigen: 14. Juli 1865, Erstbesteigung des Matterhorn, vier Tote, nur Edward Whymper und die beiden Taugwalder kommen heil runter. Damals wurde die Frage nach dem nicht zu rechtfertigenden Risiko zum ersten Mal gestellt.
Den Bergsport der letzten 100 Jahre schildert der Deutsche Uli Auffermann in “Entscheidung in der Wand”. Im Untertitel heisst das Buch etwas missverständlich „Marksteine des Alpinismus“ – wie wenn vor 1900 keine solchen gesetzt worden wären, gerade auch in Wänden, wie die erstmalige Durchsteigung der höchsten Wand der Alpen, der 2400 Meter hohen Ostwand des Monte Rosa, am 22. Juli 1872 beweist. Der zweite Untertitel, „Wenn Leidenschaft viele Gesichter hat“, ist nicht viel besser. Etwas gar pompös beginnt auch der Rückseitentext des Buches: „Es geht um den Kern, die Seele des Alpinismus.“
Das Schwergewicht des Buches liegt auf der Entwicklung des Bergsteigens in den Alpen und in den mitteleuropäischen Klettergebieten. Die einleitenden Texte sind ganz gut, aber das Buch ist irgendwie unübersichtlich, was auch am Layout liegt. Es finden sich viele Porträts von Alpinisten und Alpinistinnen, welche ihre Zeit geprägt haben, von Hans Dülfer bis Ines Papert (allerdings fehlt das Personenregister). Die zahlreichen Zitate sind leider meist nicht belegt – eine Unsitte, die ebenfalls in den Büchern von Reinhold Messner stark verbreitet ist. Ganz anders Simon Thompson; beim Zitat von John Tyndall zum Prestigeerfolg am Weisshorn heisst es: „Illustrated London News, 7 September 1861, quoted in Hansen, ‚British Mountaineering 1850-1914`, p. 149.“
Simon Thompson: Unjustifiable Risk? The Story of British Climbing. Cicerone Press, Milnthorpe Cumbria 2010, Fr. 45.80.
Uli Auffermann: Entscheidung in der Wand. Marksteine des Alpinismus. Wenn Leidenschaft viele Gesichter hat. Mit einem Vorwort von Pit Schubert. Schall-Verlag, Alland 2010, Fr. 45.90