Altmann

Es gibt viele Schicksalsberge auf der Welt. Matterhorn, Nanga Parbat, Mount Kenya und so weiter. Für uns ist es der bescheidene Altmann, 2436 Meter über Meer. Eine Spurensuche.

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Im Alter wandert man durch die Welt und trifft allüberall auf Spuren seiner selbst – so meint man jedenfalls. Wünscht sich, dass überall dort, wo man einst durchging, eine rote Linie die Spur markieren würde, zur ewigen Erinnerung. So gibt es auch schon Menschen, die ständig mit einer Webcam auf dem Kopf herumlaufen und ihren Lebenslauf Schritt für Schritt aufzeichnen, wozu auch immer. Doch schliesslich, wir wissen es, wird am Ende alles Staub sein, so wie es in der Bibel steht und wie uns die Pluto-Sonde New Horizons vom entferntesten Planeten des Sonnensystems in Erinnerung gerufen hat.
Also bleiben wir doch in der Nähe, sitzen auf dem Altmannsattel und schauen hinüber zu dem schönen weissen Kalkberg und erinnern uns an unseren eigenen Horizont. «Pluto» war doch auch der Spitzname des Lehrlings, dem ich als Laufbub Werkzeug an die Fräsmaschine brachte und der mich dann zum Lesen und zum Klettern verführte – ihm sei ewig Dank. Inzwischen ist er in die Ewigkeit eingegangen wie schon so viele Freunde. Jedenfalls war es im Jahr 1959, Pfingsten, als ich auf dem Altmann stand, meinem ersten Kletterberg, nach dem Schaffhauserkamin. Im Jahr darauf Westgrat, später Westgrat mit der ersten Kletterfreundin, Nordwestpfeiler, dann Ost- und Westgrat als erste Solotour. Auf dem Gipfel traf ich den Bergführer Paul Etter mit einer Gästin, das war die erste Frau von Max Eiselin und sie lobte meine blauen Socken, die ich im Versand von Eiselin gekauft hatte. Ja, es waren gute Socken, nur ein bisschen zu kurz, aber das war ja nicht so wichtig damals. Dafür lobte mich Paul, der später berühmte und tragisch verunglückte Bergführer aus Walenstadt.
Also der Altmann hatte es mir schon angetan und als ich von einem Studienkollegen hörte, er sei mit seiner Schwester über den Altmann-West geklettert, da hatte es auch die Unbekannte mir angetan. Ein Mädchen, das klettert, wow! Die erste Kletterfreundin war ja schon wieder abgetaucht. So wurde der Altmann also zu einer Art Schicksalsberg und nun sitzen wir auf dem Altmannsattel und schauen hinüber zu den schönen weissen Felsen.
Unter uns weidet eine Herde Steinböcke, zwei Kletterer rüsten sich aus für den Grat, der uns auch wiedermal verlocken könnten, aber heute doch nicht. Heute haben wir andere Ziele, zum Beispiel einen Kaffee in der Zwinglipasshütte, die es zu unseren Urzeiten noch nicht gab. Aber wie es so ist, die Hütte ist geschlossen.
Also weiter, Chraialp, Teselalp, und dort gibt’s dann doch einen feinen Kaffee mit beliebig viel Schnaps von der Mutter der Sennerin, die aus dem Allgäu stammt.

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