Zum Abschluss des alten Jahres sei auf ein paar ältere Bergbücher hingewiesen. Mit ihnen gelingt der Schritt ins neue aufs Schönste.
„Wie Tausende andere Skiläufer fuhren wir am 28. Dezember 1933 mit der Strassenbahn nach Mauer. Vielleicht unterschieden wir uns von der Masse der Brettlfahrer durch die gewichtigen Rucksäcke, die wir über die Hochstraβe hinaufbuckelten.“
Und wie sich die beiden Skifahrer unterscheiden! Denn sie wollen von Wien mit Ski bis auf den Mont Blanc. Sepp Brunhuber, bekannt als Pionier des extremen Winteralpinismus und Fast-Erstdurchsteiger der Eigernordwand (er war im Juli 1938 verhindert, weshalb Fritz Kasparek halt Heinrich Harrer mitnahm), und Julia Huber. „Ein Sportmädel, wie ich kein zweites fand. Unerschrocken ist sie auf Skiern, das Turenfahren geht ihr über alles.“ So beschreibt Brunhuber sie im Buch „Wände im Winter“. Auch das Klettern in winterlichen Verhältnissen muss ihr gefallen haben. Denn auf der „Längs-Überschreitung der Alpen auf Skiern“ besteigt das Duo viele grosse Gipfel, so Grossglockner, Kleine Zinne, Marmolata, Weisskugel, Piz Buin. In der Dreischusterhütte in den Sextner Dolomiten wird sechs Wochen verweilt, „Julias skiläuferisches Können erregte die Bewunderung der Gäste und Skilehrer.“ Anfang April 1934 kommen die zwei Skialpinisten in die Schweiz: Silvretta, Weissfluh, Chur, Oberalp-, Furka- und Grimselpass, immer mit Ski oder zu Fuss. Wegen Schlechtwetter müssen sie sechs Tage in einer baufälligen Baracke ob dem Grimselstausee ausharren und fünf in der Lauteraarhütte gut hausen, dann geht’s hoch auf Oberaarhorn, Gross Wannenhorn, Gross Fiescherhorn, Finsteraarhorn und Ebnefluh. Durch die Walliser Alpen gelangen sie nach Courmayeur, und am 23. Mai 1934 um sieben Uhr morgens stehen Julia Huber und Sepp Brunhuber auf dem Mont Blanc. In Courmayeur warten sie drei Wochen auf ihre Velos, worauf sie 1200 km nach Wien zurückradeln: „Dann hielten wir an einer Strassenecke, und das erste Mal nach sechs Monaten trennten wir uns, und Julia fuhr gleich mir, aber in anderer Richtung, nach Hause.“
Den Namen Sepp Brunhuber kannte ich wohl, hatte wahrscheinlich auch schon von seinem 1951 publizierten „Wände im Winter“ gehört. Aber das Buch – mit dem 28-seitigen Kapitel über die Skireise mit der unbekannten Julia Huber – stand nicht in meiner Bergbibliothek. Nun ist es dort, Sepp sei dank! Mit den neuen Bergbüchern, die ich allwöchentlich vorstelle, wächste jene scheinbar unaufhaltbar weiter. Aber es kommen eben immer noch weitere, auch ältere Bücher hinzu. Ein paar ganz schöne vermachte mir Giuseppe C. Negro, Mitglied des SAC Bern. Zum Beispiel auch das von Robert Hänni: „Vom Dachfirst zum Kilimandscharo. Wie Dachdecker Arthur Spöhel allein den Kibo bezwingt“, ebenfalls 1951 herausgekommen. Und, noch eine Gemeinsamkeit: Am Ende eines Jahres begibt sich Spöhel, Tourenleiter des SAC Bern, auf die weite Reise zum höchsten Berg Afrikas.
Etwas weniger hoch war das Ziel des österreichischen Mediziners, Botanikers, Naturwissenschaftlers und Reiseschriftstellers Johann August Schultes anno 1802: der Grossglockner, damals noch nicht der höchste Gipfel Österreichs (das war noch der Ortler). 1800 wurde der Grossglockner (3798 m) erstmals bestiegen. Schultes und seinen Freunden gelang die zweite Besteigung. Darüber verfasste er den vierbändigen Bericht „Reise auf den Glockner“. Die vier Bände verschönern seit diesem Sommer, als ich eine eher kleine, dafür sehr feine Bergbuchsammlung übernehmen durfte, die meinige. Im I. Teil auf Seite 1 lese ich: „Nur mit Mühe konnten wir uns losreissen von dem schönen Admont, das während unseres kurzen Aufenthaltes von fünf Tagen jeden von uns in circäische Netze verstrickt hielt.“ Aufbruch also ebenfalls damals, auch wenn er schwer fiel.
Ja, und dann habe ich mir an Weihnachten noch selbst ein Buchgeschenk gemacht: „The Alpenstock; or Sketches of Swiss Scenery and Manners“ von Charles Joseph La Trobe, 1829 in erster, 1839 in zweiter Auflage erschienen. Bekannt wurde der Engländer La Trobe, auch Latrobe geschrieben, als Lieutenant-Governor von Victoria, einem der sechs heutigen australischen Bundesstaaten. Von 1824 bis 27 wirkte er als Privatlehrer bei der Familie de Pourtalès in Neuenburg, von wo er ausgedehnte Reisen durch die Schweiz und darüber hinaus unternahm, auch auf Berge, so auf Niesen und Stockhorn, gegen Bürglen und Gantrisch; den Gipfel des letzteren jedoch bezeichnete er als „inaccessible“. Auf Seite 188 schreibt er vom Creux du Vent „and its vast crater, rising above the forest.“ Dort oben stossen wir traditioneller Weise aufs Neue Jahr an.
Euch allen, nah und fern: Es guets Nöis!