Der schwierigste aller Achttausender liegt in Pakistan und zieht Alpinistinnen und Buchautoren magisch an.
«Die Geschichte der Erstbesteigung des K2 stünde heute in einem wirklich überwältigenden Licht und als herausragende Expedition da, wenn man die Leistung von Erich Abram, dem Hunza-Träger Amir Mehdi und allen voran von Walter Bonatti schon früher richtig eingeordnet und entsprechend gewürdigt hätte. 2015 sagte Erich Abram zu mir, als die Sauerstoffflaschen einmal oben gewesen seien, sei es nur noch um die heldenhafte Besteigung des Gipfels gegangen und nicht mehr um den beispiellosen Einsatz der anderen. Die ganze Wahrheit hätte diese Geschichte sicher noch viel großartiger gemacht. Diese Wahrheit hätte die anerkennenswerte Leistung von Lacedelli und Compagnoni um keinen Deut geschmälert. Die ganz große Leistung bei der Erstbesteigung des K2 – das ist wohl inzwischen klar – war nicht allein diese Erstbesteigung, es war noch viel mehr der mühevolle Nachschub zum höchstgelegenen Lager.»
Mehr noch, und auch das schreibt Hans Kammerlander in seinem Kommentar zur skandalüberschatteten Erstbesteigung im Buch «K2. Der härteste Berg der Welt. Triumphe, Tragödien und Kontroversen», das er zusammen mit Walther Lücker verfasst hat: «Auf mich wirkt das unkollegial und im Grunde rücksichtslos. Die beiden wollten kompromisslos zum Gipfel. Deshalb haben sie gesagt, die beiden da unten sollten absteigen.» Was war passiert? Seit 1890 hatten Alpinisten immer wieder versucht, den K2, den zweithöchsten Gipfel (8611 m) der Erde, zu besteigen. Der grossen italienischen Expedition von 1954 gelang es schliesslich am 31. Juli 1954, allerdings nur mit Schmerzen. Es war vereinbart worden, dass Bonatti und Mehdi Sauerstoffflaschen in ein Zeltlager auf 8100 Meter Höhe bringen sollten. Als die beiden am 30. Juli an der vereinbarten Stelle ankamen, mussten sie feststellen, dass Achille Compagnoni und Lino Lacedelli das vereinbarte Zeltlager unabgesprochen verlegt hatten, so dass es für sie unerreichbar geworden war. Vermutlich fürchtete Compagnoni, dass der jüngere und fittere Bonatti ihm bei der Gipfelbesteigung den Ruhm hätte streitig machen können. Da es bereits Abend war, war ein Abstieg nicht mehr möglich. Bonatti und Mehdi mussten daher in 8100 Metern Höhe ohne Zelt biwakieren. Insbesondere Mehdi zog sich aufgrund seiner unzureichenden Bekleidung schwere Erfrierungen zu. Sie stiegen am folgenden Tag ab, ohne auf dem Gipfel gewesen zu sein. Dabei liessen sie die Sauerstoffflaschen zurück, die ihre Kollegen anschliessend dankbar nutzten. So weit, so schlecht. Schlimmer war allerdings noch, dass Bonatti des Fehlverhaltens bezichtigt wurde. Über vierzig Jahre kämpfte er dagegen, bis er schliesslich auch offiziell recht bekam.
Diese traurige Geschichte bei der Erstbesteigung des K2 ist natürlich nicht neu. Aber grosse Triumphe und Tragödien sind halt immer wieder spannend zu lesen. Und die Nummer 2 der Berge der Welt ist voll davon (die Nummer 1 selbstverständlich ebenfalls). Die letzte Tragödie passierte am 27. Juli 2023: Der 27 Jahre alte pakistanische Träger Mohammed Hassan stürzte in etwa 8300 Metern in einer Engstelle, blieb hilflos in den Seilen hängen – doch weder sein eigenes Team, der pakistanischen Expeditionsausrüster Lela Peak, noch andere Teams unternahmen ernsthafte Rettungsversuche. An diesem Tag waren mehrere Expeditionen mit rund 200 Bergsportlern am Berg unterwegs. Insofern passt der Untertitel im jüngsten Buch zum K2 – leider.
Aber mit einer schöneren Meldung aus diesem Buch soll das heutige Jubiläum gefeiert werden. Am 22. Juli 2001 stand Hans Kammerlander, der Südtiroler Extrembergsteiger und -skifahrer, selbst auf dem Gipfel des K2: «Als ich endlich ganz oben stand, überkam mich ein merkwürdiges Gefühl. Ich dachte: Und jetzt? Was kommt jetzt? Was könnte nach dem K2 denn noch sein? Wie sollte ich mehr erreichen als den Gipfel des schwierigsten aller Achttausender? 8.611 Meter am härtesten Berg der Erde. Da gibt es keine Steigerung mehr. Diese Gedanken vermischten sich da oben mit dem unbeschreiblichen Glücksgefühl, das ich dort empfand. Sofort nach dem Glücksmoment machte sich auch Erleichterung in mir breit. Erleichterung, dass es endlich vorbei war. All die Strapazen der vergangenen drei Tage. Der Sauerstoffmangel, die enorme Steilheit an diesem Berg, das Ausgesetztsein, die Einsamkeit. (…) Mir kam der Weg zu diesem Gipfel auf einmal so unendlich weit vor. Wie im Zeitraffer schossen Sequenzen dieses Weges mitten in meine Gedanken hinein. Der Bauernhof daheim, mein erster Gipfel, die ersten Achttausender, dann immer mehr Expeditionen, dramatische Erlebnisse, über 3500 Klettertouren, so viele Erstbegehungen, so viele Soloklettereien. Und nun der Gipfel des K2. Ich war angekommen. Endlich dort, wo ich schon so lange hinwollte. Und jetzt?»
Hans Kammerlander, Walther Lücker: K2 Der härteste Berg der Welt. Triumphe, Tragödien und Kontroversen. Benevento Verlag, Wals bei Salzburg 2023. € 28,00.