Das Bild der Berge in Zeitschriften und Film, eine Dissertation über einen wenig bekannten kulturell-politischen Aspekt der Schweiz im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Eine Lesetour im Schwierigkeitsgrad 7b.

„I de Flüehne isch mys Läbe,
Und im Tal tuen i kei guet!“
Diesen Spruch setzte die „Schweizerische Illustrierte Zeitung“ am 17. August 1932 aufs Titelbild, zusammen mit der Foto eines Kletterers, der mutig einen sehr ausgesetzten Felsturm erklettert. Und dort oben offenbar sein Leben findet, während die Mehrheit der Schweizer – und der Leser – im Tal unten lebte, leben musste, und von einem Ausflug in die Vertikale bloss träumen konnte. Oder auch nicht: Allzu gemütlich sieht die Stellung des Kletterers auch nicht aus. Dafür spannend und zum Weiterlesen anregend, und somit zum Kauf des Heftes. Die SIZ war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die auflagenstärkste Zeitschrift der Schweiz; sie veröffentlichte immer wieder und stärker Artikel zu alpinen Themen. Für seine Dissertation an der Universität Zürich hat Dominik Schnetzer alle 1415 Nummern der SIZ zwischen 1911 und 1938 systematisch ausgewertet, nebst andern Zeitschriften. Zudem hat er sich intensiv mit dem aufkommenden Bergfilm jener Jahre beschäftigt. Und noch viel mehr. Entstanden ist ein über 400seitiges Werk, das einen bisher wenig bekannten, kulturell-politischen Aspekt der Schweiz bis zur obersten Bergspitze beleuchtet.
Das Ganze liest sich natürlich nicht wie ein Bergroman von Johannes Jegerlehner (der übrigens auch seinen Auftritt hat). Ausschnitt aus dem Klappentext: „Nach 1900 erfolgte der erste pictorial turn des 20. Jahrhunderts, ein Visualisierungsschub, der durch Medientechniken wie Autotypie, Kinematografie und Rotationsdruckverfahren möglich wurde und in eine eigentliche Bildkonjunktur überging. Diese Entwicklung prägte den Umgang mit Bildern massgeblich. Besonders relevant waren die Umbrüche in den Sehgewohnheiten, die von der Urbanisierung sowie von der visuellen Unfassbarkeit der ‚leeren Schlachtfelder‘ im Ersten Weltkrieg herrührten. Gerade am Bergbild lässt sich zeigen, dass in dieser Zeit einerseits Bild- und Textdiskurse in ein neues Verhältnis gebracht, andererseits althergebrachte Fotografien des bürgerlichen Alpinismus an einen fortschrittseuphorischen Patriotismus gekoppelt wurden und dadurch das Selbstbild der Schweiz als Gotthardstaat mitformten.“
Erholen von solchen intellektuellen Höhenflügen kann sich der Leser mit Zitaten aus der „Schweizerischen Illustrierten Zeitung“, zum Beispiel vom 17. August 1932: „Die Berge vermögen den vertrocknetsten Bürolisten in einen angriffigen Siegfried, in einen Adler umzuhexen. Sie verleihen dem nichtigsten Schreibmaschinenhühnchen Tauben- bis Elsternflügel und verwandeln den in sich verkrochensten stadthöhlenbewohnenden Kauz im Hui in einen fröhlichen Kiebitz.“
Dominik Schnetzer: Bergbild und Geistige Landesverteidigung. Die visuelle Inszenierung der Alpen im massenmedialen Ensemble der modernen Schweiz, Chronos Verlag, Zürich 2009, Fr. 78.-