Berge schwarz-weiss

Glarnerland und Gastlosen – schwarzweisse Felsenlandschaften in zwei aktuellen Büchern vor- und dargestellt. Welten ohne Grenze und ohne Kontur.

vertikale-ebenen

„Felswände sind vertikale Ebenen. Wer in die Steppe, den Urwald oder in die Felswand sich hineinwagt, begibt sich in die Horizontlosigkeit, beschränkt sein Dasein auf den nächsten Schritt, den nächsten Griff. Der Mensch: ein krabbelndes Insekt in der Welt ohne Grenze und ohne Kontur.“

Ein Gedanke, welcher der 80-jährige Glarner Autor Otto Brühlmann während Wanderungen im Glarnerland notiert hat. Und der jetzt, mit andern Sentenzen, als poetischer Kommentar neben den Bildern seines Landsmannes Fridolin Walcher steht. Bild 16 zeigt hinter einem See oder Seelein eine horizontale Steinsteppe, die in schräge Geröllhänge übergeht, aus der sich ein Felsturm und eine dreieckige Spitze hervortun, beide mehr oder weniger von einem Nebelband umhüllt. Im Anhang ist erklärt, wo Walcher die Foto gemacht hat: am Muttsee, und der Turm ist das Hintersulzhorn (2738 m), eine „fast senkrecht aufgestellte Bank aus Taveyannaz-Sandstein“. So spannungsvoll, so ästhetisch, so archaisch habe ich Geologie noch nie gesehen. Aber Walcher ist ja auch Fotograf. 81 Bilder aus seinem Glarnerland hat er nun in einem Buch vereint: schwarz-weiss, gross-artig, kraft-voll. Natur fast pur. Fels und Schnee und Firn. Einmal Mensch und Tier. Hier eine Alp, da Skispuren, dort eine Staumauer (die Gegenüberstellung des Glärnisch-Firn mit der Gigerwaldsee-Staumauer gehört zum Eindrücklichsten dieses Bildbandes). Kluge Texte von Nadine Olonetzky und Rahel Marti runden ihn übrigens ab. Das perfekte Weihnachtsgeschenk für diejenigen, die besondere Bergbücher schätzen.

gastlosen

Das gilt auch für den Bildband „Gastlosen“ des Freiburger Fotografen Emmanuel Gavillet. Statt eines ganzen Landstriches hat er sich eines Striches im Land angenommen, hat das 13 Kilometer lange Felsriff zwischen Berner, Freiburger und Waadtländer Oberland zu jeder Jahreszeit fotografiert. Ebenfalls schwarz-weiss. Ebenfalls vertikal Ebenen. Ebenfalls Licht und Schatten meisterhaft aufs Papier gebracht. 88 stupende Fotos, vor allem über die Kalkzähne der Gastlosen, aber auch über die Chalets an ihrem Fuss. Es gibt Bilder, da glaubt man sich ins Glarnerland versetzt. Dabei wurden sie auf dem Röstigrat aufgenommen. Bei beiden Fotografen diese Reduktion auf das Essentielle. Bildlegenden und –erläuterungen sowie Hintergrundtexte gibt es bei Gavillet nicht. Stimmungssätze schon, en français, cependant: «d’un seul aplomb, les peignes stridents du calcaire, de riposte il n’y en aurait guère que d’insignifiante; pas loin maintenant de te rendre à merci.»

Fridolin Walcher: Vertikale Ebenen. Felslandschaften in den Glarner Alpen. Mit Texten von Otto Brühlmann, Nadine Olonetzky und Rahel Marti. Helden Verlag, Zürich 2010, Fr. 78.-

Emmanuel Gavillet: Gastlosen. Préface/Vorwort de Hugo de Matran, textes de Mary-Laure Zoss. Editions Pourquoi-pas?, Marly 2010, Fr. 69.-, www.pourquoi-pas.ch/formulaire.php

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