Bergkrimis

Nicht Steinschlag, Lawinen und Unwetter sind die wahren Gefahren des Gebirgs, sondern Geiselnehmer, Entführer und Mörder, die mit präparierten Seilen oder gesprengten Lawinen ihre Opfer ins Jenseits befördern. Einst waren die Berge eine heile Gegenwelt zur Stadt – in den Bergkrimis verkehrt sie sich ins Gegenteil. Zum Glück für uns alle wird «Heidi» neu verfilmt, mit Bruno Ganz als Alpöhi – aber auch der war ja früher mal ein Bösewicht.

Cover Felsenfest

„Siegfried Schäfer löste seinen Blick von der hochsommerlichen Landschaft vor dem Fenster, zog ein Buch aus der Jackentasche, blätterte darin herum und blieb an einer bestimmten Seite hängen.
‚Was liest du denn da?‘, fragte sein blasser Nebenmann im Sanitätshubschrauber.
‚Hermann von Barth‘, antwortete Schäfer. ‚Aus den nördlichen Kalkalpen. Berichte von Barths Bergwanderungen. Er ist übrigens der Erstbesteiger der Kramerspitze. Hat sie sich 1856 vorgenommen. Wusstest du das?‘
‚Nein‘, sagte Harry Fichtl.“

Hochsommer. Ferienzeit. Ohne Rettungsheli bitte. Aber mit einem Buch, aus der Baditasche oder dem Rucksack hervorzuziehen. Fünf mehr oder weniger gebirgige Krimis habe ich eingepackt. Unter ihnen den sechsten Band von Jörg Maurer um Ermittler Hubertus Jennerwein: „Felsenfest.“ Im Mittelpunkt diesmal: Die Kramerspitze (1985 m) nordwestlich von Garmisch-Partenkirchen, auf der ein brutaler Geiselnehmer die Mitglieder eines Klassentreffens gefangen hält. Eigentlich hätte Hubertus bei dieser Gipfelwanderung dabei sein sollen, weil es seine Gymnasiumsklasse ist. Nun muss er den Aussichtsgipfel auf eine ganz andere Art erklettern. Hochspannend, bitterböse. Voller Schleichwege und scheinbarer Verhauer, wie immer bei Maurer. Aber nicht nur Bergwandern kann fatal enden.

Cover Nie wieder tot

„Bernd ging aufrecht, das Band war etwa einen halben Meter breit. Ein Schubser … nein! Noch nicht. Dass ein Bergführer hier stolperte und abstürzte, war allzu unwahrscheinlich.“

Solche bösen Gedanken macht sich Paul, der Gast von Bernd auf einer Tourenwoche in der Brenta-Gruppe in den Dolomiten. Eben haben sie erfolgreich eine sehr schwierige Route auf den Campanile Basso (2883 m), diesen nach allen Seiten rund 400 Meter senkrecht abfallenden Kalkturm, gemeistert. Beim Abstieg will Paul zuschlagen. Klettern kann tödlich sein, nicht nur in den Brenta-Dolomiten. „Nie wieder tot. Mord am Gardasee“ heisst der erste Kriminalroman von Irmgard Braun. Die Journalistin und Schriftstellerin ist Alpinistin und Sportkletterin, was man beim Lesen anerkennend merkt. Ob es Paul gelingt, Bernd doch noch vom Weg zu schubsen, sei nicht verraten. Und auch nicht, wer das Seil der Hauptfigur Romy so präparierte, dass es ihren Sturz nicht halten konnte. Mögliche und tatsächliche Fallenergie gehört zum Gebirge. Manchmal ist’s gar Absicht.

Cover Alpentod

„Max blickte mit zusammengekniffenen Augen den steilen Hang hinauf. Dann hielt er auf einmal inne. ‚Verdammt, Josef. Schau mal genau hin. Da oben links gleich unter den Felsen ist doch eine Spur.‘
‚Seine?‘
‚Kann gut sein. Vielleicht hat er dort auf uns gewartet, gesprengt, und sobald wir alle verschüttet waren, ist er abgehauen.‘
‚Meinst du wirklich?‘“

Diese Szene spielt auf Seite 15, kurz nachdem der Münchner Ex-Kommissar Max Raintaler und sein Freund Josef einen Lawinenniedergang überlebt haben, im Gegensatz zu zwei jungen Skirennfahrern, die ebenfalls durch das berühmte Mittenwalder Dammkar hinabkurvten. Ob und wie die Lawinensprengung wirklich ein Mordanschlag war, und wem er galt, erfahren wir auf den beiden letzten Seiten im Krimi „Alpentod“ von Michael Gerwien. Fragt sich bloss, wo der Tod lauert? Eher in einer winterlichen Nordrinne oder auf einem sommerlichen Gipfel?

Cover Schwarzer Kater

„Am Vorabend hatten Claire und er die Kinder zum ersten Mal auf den Gipfel des Canigou mitgenommen. Über die Mariailles-Hütte. Vier Stunden für den Aufstieg, drei für den Abstieg. Eine phantastische Wanderung. Der Pfad schlängelte sich erst durch das Unterholz und führte dann im Slalom durch Ginsterbüsche und wilde Stiefmütterchen. Anschlieβend bahnte er sich seinen Weg über Schotter, bevor er in einem kurzen Aufstieg in einer schwindelerregenden Felsklamm endete. Nicht Unüberwindbares. Vorausgesetzt, man war schwindelfrei.“

Der Pic du Canigou, der heilige Berg der Katalanen, ist ein Fixpunkt im Leben von Inspecteur Gilles Sebag. Gleich zu Beginn von „Dreimal schwarzer Kater“, dem ersten auf Deutsch übersetzten Roussillon-Krimi des französischen Journalisten Philippe Georget, joggt Gilles, wie sein Erfinder ein leidenschaftlicher Läufer, von Castelnou im Hinterland von Perpignan trotz hochsommerlichen Temperaturen auf den Hügel (518 m) hinauf, den die Kapelle St-Martin de la Roque (oder katalanisch Sant-Marti de la Roca) krönt. Die Lösung des Entführungsfalles findet der sympathische Ermittler ebenfalls auf einer Anhöhe unweit der Côte Vermeille; an ihren im Norden anschliessenden Stränden scheint im Sommer halb Frankreich Ferien zu machen. „L’été tous les chats s‘ennuient“, wie der Krimi im Original heisst, erschien bereits vor fünf Jahren und erhielt den Prix du premier roman policier und den Prix SNCF du polar. Auf Französisch liegen drei weitere Krimis vor, so „Tendre comme les pierres“ aus diesem Jahr. „Zärtlich wie die Steine“ – wenn das keinen gebirgigen Krimi abgäbe…

Cover Giftgrün

Kein Bergkrimi im engeren Sinne, sondern einfach spannende Ferienlektüre für Badi, Balkon oder Berge ist „Giftgrün“, der erste Kriminalroman von Bettina Plecher. Er spielt in und um die Eisbachklinik in München. Und da ist das Gebirge nicht weit weg. Hauptakteur Quast schwänzte als Gymnasiast die Schule und radelte in die Berge.

„In dieser Zeit bestieg er alle Gipfel um den Pfaffenwinkel herum. Allein, nur mit einer Flasche Leitungswasser und einem Apfel in der Tasche. Beim Wandern öffnete sich ihm die Welt.“

Wie wahr! Beim Lesen übrigens auch. Schöne Ferien!

Jörg Maurer: Felsenfest. Fischer Scherz Verlag, 2014, Fr. 25.90.
Irmgard Braun: Nie wieder tot. Mord am Gardasee. Rother Bergkrimi, 2014, Fr. 17.90.
Michael Gerwien: Alpentod. Gmeiner Verlag, 2014, Fr. 18.90.
Philippe Georget: Dreimal schwarzer Kater. Ullstein Verlag, 2014, Fr. 13.90.
Bettina Plecher: Giftgrün. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2013, Fr. 15.90

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