Was wäre das Leben ohne Bücher? Romane ohne Liebesgeschichten? Bergliteratur ohne alpin angehauchte Krimis? Einfach und flach. Eben.
„Es konnte losgehen: Aus der Seitentasche seiner Kletterhose zog er sein Smartphone heraus und rief das Routen-Topo auf. Konzentriert versuchte er, den dort skizzierten Wegverlauf in der realen Umgebung des Predigtstuhls wiederzufinden. Laut Topo beanspruchte der Soldatenweg zehn Seillängen für die insgesamt 270 Höhenmeter.“
Ist das die Zukunft? Vielleicht auch schon die Gegenwart? Ein Smartphone mit allen Infos. Und allen Geschichten. Lesestoff und Leitfaden – digital. Bücher liegen schwer im Rucksack und im Gestell. Und vom 8. bis 12. Oktober 2014 tonnen- und hallenweise in Frankfurt. 7000 Aussteller aus 100 Ländern zeigten Bücher, Bücher und nochmals Bücher: Die Frankfurter Buchmesse schlug auch in diesem Jahr wieder mit Rekorden zu Buche. Grund genug, ganz bescheiden und zum zweiten Mal in diesem Jahr auf neuere Bergkrimis hinzuweisen.
Martin Schlemm enthüllt in „Karwendelgold“ ein tödliches Geheimnis. Unweit des Soldatenweges, am Fuss der Kreuzwand, versteckt sich in einer Höhle Kostbares aus mittelalterlicher Zeit. Wie nun plötzlich entdeckte Pergamente aus Familienbesitz die genaue Lage des Verstecks enthüllen, beginnt ein dramatischer Wettlauf zwischen Kriminellen, Kletterern und Kommissaren. Die Schatzsuche an der Vertikalen erinnert an die Fünf Freunde von Enid Blyton. Der Chefermittler Ignaz Greibl aus Garmisch-Partenkirchen scheint aber diese berühmten Kriminalgeschichten nicht zu kennen; er interessiert sich für Wagner – und seine Nachbarin. Was wäre ein Roman ohne Liebesgeschichte? Und das Klettern ohne Topo? Hier ist es.
Um (tödliche) Familiengeheimnisse und Liebe zwischen Ermittlern und Aussenstehenden geht es auch in „Jakobshorn“ von Silvia Götschi. Bartholomäus Cadisch, der Dorfkönig von Davos, wird tot auf der Skipiste am Jakobshorn gefunden. Unfall oder Mord? Die Meinungen gehen ziemlich auseinander, mit unangenehmen Folgen. Das Davoser Matterhorn bleibt unbeteiligt: „Über dem Tinzenhorn in der Ferne hingen die verwischten Konturen eines abnehmenden Mondes. Sein blasses Licht reflektierte auf der glatten Fläche des Davosersees.“
Anders als das Tinzenhorn spielt der Mont Bisanne (1941 m) im zweiten Krimi von David Tanner um Antoine Kirchner, Chefreporter der Zeitung „Le Monde“, eine Hauptrolle. Im Winter ist dieser aussergewöhnliche Aussichtspunkt im Beaufortin vom Ort Col des Saisis mit einem Sessellift erreichbar, und genau an diesem Lift schwebt anfangs der Skisaison eines Morgens eine geschändete Frauenleiche zu Tal. Dass die brutale Tat in der Lokalzeitung nur einmal kurz erwähnt wird, macht den in der Normandie am Meer weilenden Kirchner stutzig. Und er macht sich auf in die tief verschneiten Alpen, in den Ort Chanterelle. Der Name ist fiktiv, genauso wie Olympiasieger Maxime Mortier aus diesem Skiresort. Aber die Story mit der unheimlichen Mischung von familiären und geschäftlichen Interessen, darin mann bzw. frau über Leichen geht, die scheint nicht an eisigen Haaren herbeigezogen. Empfehlenswerte Lektüre für die nächsten Skiferien.
Diese jedoch besser nicht in Berchtesgaden buchen. Denn dort lebt es sich offenbar gefährlich. Oder anders gesagt: Stirbt es sich auf unvorhergesehene Weise. Jedenfalls im Krimi „Adlerblut“ von Markus Bennemann. Die zweite Strophe aus dem Gedicht „Aroleid“ von Gottfried Keller gibt den Ton (und die Todesart) an: „Ein Berghirt hing in Todsgefahr/Am steilen Firnenrand,/Ihn stiess hinunter dort der Aar,/Wo keiner mehr ihn fand.“ Könnte man eigentlich wieder einmal ganz lesen! Hier ist das kellersche Adlergedicht.
Digital da, analog dort. Die hier vorgestellten Bücher sind per Download lieferbar. So auch die Weinkrimis von Paul Grote. Für Bergliteraten empfiehlt sich „Tödlicher Steilhang“. Solch halsbrecherische Hänge streben links und rechts der Mosel in die Höhe. „Der Anstieg wurde anstrengend, das Schiefergeröll war locker, er rutschte weg – und fing sich wieder, doch als er den Kopf hob und sein nahes Ziel fixierte, rutschte er aus, wollte sich nicht am Rebstock festhalten, konnte sich sonst nirgends abstützen und fiel mit dem Gesicht auf die Steine. Es war ein harter Schlag.“
Bergsteigen ist gefährlich, das wissen wir. Rebbergsteigen offenbar auch. Weintrinken ebenfalls. Digital wär’s unproblematisch. Wirklich?
Martin Schlemm: Karwendelgold. Ein tödliches Geheimnis. Rother Verlag 2014, Fr. 18.-
Silvia Götschi: Jakobshorn. Emons Verlag 2014, Fr. 17.90.
David Tanner: Das eisige Herz der Mont Bisanne. Bastei Lübbe Verlag 2014, Fr. 14.90.
Markus Bennemann: Adlerblut. Ein Berchtesgaden-Krimi. Gmeiner Verlag 2014, Fr. 18.90.
Paul Grote: Tödlicher Steilhang. Mord an der Mosel. Deutscher Taschenbuch Verlag 2013, 15.90.