Bergmenschen

Zwei Bücher über Menschen, die sich den Bergen verschrieben haben. Manchmal für ewig.

«Lange bevor ich zum Klettern kam, haben mich Abenteurer wie Scott, Nansen und Shackleton fasziniert. Mich interessierte das ganze Drumherum: das Aufbrechen, das Entdecken unbekannter Gebiete. Das ist bis heute so. Das Klettern ist zuerst Mittel zum Zweck, um aufzubrechen und mich von dem familiären Establishment zu lösen. Mein gröβter Wunsch war einmal, eine Blockhütte zu bauen und mitten im Busch von Kanada zu überwintern. Der ist immer noch da.»

Verrät Stefan Glowacz, einstiger Shooting Star der Sportkletterszene, im Interview, das Michael Ruhland, seit 2012 Chefredaktor des Magazins „Bergsteiger“, mit ihm in der Rubrik „Das groβe Bergsteiger-Interview“ geführt hat. Nun liegen diese Interviews in Buchform unter dem Titel „Bergmenschen. 30 Ikonen der Bergwelt über Wagnis, Liebe und Demut“ vor. Angereichert mit Fotos der Interviewten aus ihrem (Berg)leben sowie mit extra für das Buch gemachten Porträtfotos von Christoph Jorda. Da gibt es Porträts, die mit der entsprechenden Legende unter die Haut gehen. So dasjenige von Hansjörg Auer, der in einer alten Bauernstube vor einem Teller mit Fisch sitzt und ernst in die Kamera blickt; der Österreicher wurde am 16. April 2019 zusammen mit David Lama und Jess Roskelley beim Abstieg vom Howse Peak im Banff-Nationalpark von einer Lawine in den Tod gerissen. „Es gibt Bilder für die Ewigkeit. Die jetzt tieftraurige Bedeutung konnte Fotograf nicht ahnen, als er Hansjörg Auer im März 2019 im Ötztal besuchte. Die Idee mit dem Fischessen lag nahe – Auer war durch sein ‚Fisch-Solo‘ an der Marmolada-Südwand berühmt geworden. Jetzt hat es den Charakter eines letzten Abendmahles.“

Auer ist nicht der einzige Befragte, der nicht mehr unter uns weilt. Auch David Lama, Ueli Steck und Heiner Geiβler haben ihren letzten Gang angetreten. Geiβler, der Politiker? Ja genau, der war eben auch Bergsteiger. Unter den insgesamt 34 Personen (manchmal sind auch Paare darunter, wie die Gebrüder Huber) hat Michael Ruhland nicht nur mehr oder weniger bekannte Alpinisten und Kletterer wie Adam Ondra, Norbert Sandner und Reinhold Messner eingehend befragt, sondern auch andere Menschen der Berge, so den Alpenprofessor Werner Bätzing, den Hüttenwirt und Bluesmusiker Willy Michl, den Fotografen Robert Bösch oder den Klettersteigpapst Eugen Hüsler. Sieben der 34 Interviewten sind Frauen: Ines Papert, Tamara Lunger, Billi Bierling, Alix von Melle, Gerlinde Kaltenbrunner, Elisabeth und Marlene Schuen. Aufgeteilt ist der Gesprächsband in die Kapitel Aufbruch, Wagnis (mit nicht zufällig drei Verstorbenen), Demut, Liebe, Enttäuschung und Ankommen.

Ein Bergmensch durch und durch ist auch Willy Garaventa, der 1957 zusammen mit seinem Bruder Karl die Schweizer Seilbahnfirma Garaventa AG gegründet hat. Im Gleichschritt mit dem sich ausbreitenden Tourismus führ(t)en ihre Seilbahnen auf immer mehr Stationen und Gipfel der Schweizer Alpen – und bald auf solche in der ganzen Welt. Rebekka Haefeli erzählt in „Willy Garaventa. Biografie des Schweizer Seilbahnpioniers“ die Geschichte des noch immer rüstigen Selfmademannes mit Jahrgang 1934. Als das mit tollen Fotos illustrierte Buch erschien, gab er der „SonntagsZeitung“ ein grosses Interview. Auf die Frage, wohin es ihn gezogen hätte, wenn er nicht in den Seilbahnbau eingestiegen wäre, antwortete Willy Garaventa: „Dann wäre ich Seefahrer geworden. Ich war als Kind ein Bücherwurm und las alle Seeräubergeschichten. Seefahrer waren jene, die in der Welt herumkamen. Das wollte ich auch. Diese Abenteuerlust ist mir geblieben. Mein ganzes Leben war ein Abenteuer.“

Michael Ruhland (Text), Christoph Jorda (Porträtfotos): Bergmenschen. 30 Ikonen der Bergwelt über Wagnis, Liebe und Demut. Mit einem Vorwort von Stephan Siegrist. Frederking & Thaler, München 2020, Fr. 52.-

Rebekka Haefeli: Willy Garaventa. Biografie des Schweizer Seilbahnpioniers. Hier und Jetzt Verlag, Baden 2019, Fr. 39.-

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