Bergtheater

Ins Stadttheater spazieren wäre bequemer. Vor allem auch für die Schauspieler, die Gebirgspässe und Gletscher überschreiten, ihre Requisiten im Rucksack, um ein Stück Kultur auf ein paar SAC-Hütten zu tragen. Obs stürmt oder schneit. Chapeau!

Der Sturm klatscht uns eiskalten Regen in Wellen ins Gesicht, der Hüttenweg ist ein Bach, Nebel treiben vom Gletscher herab. Wir suchen Schutz unter einem überhängenden Felsblock, warten, bis sich die Elemente etwas beruhigen. Dann weiter. Die Orlegna wälzt sich braun und wild durchs Val Forno, die Brücke hat zum Glück standgehalten. Auf dem Moränenhang unter der Hütte lösen sich einmal Felsblöcke in der Nähe, krachen in die Tiefe. Erinnerungen an einst, an den Abstieg vom Badile im Gewittersturm. So durchnässt und durchfroren wie damals erreichen wir schliesslich die Fornohütte. Aber da ist geheizt, ein Kaffe Lutz wärmt von innen und die Begrüssung durch Freunde und Bekannte und das freundliche Hüttenwartpaar wärmt das Herz. Christian Klucker war der erste Hüttenwart hier, vor gut hundert Jahren. Da gab es noch keine WCs mit Spülung und weiche Duvets in sauberen Kajütenbetten und elektrisches Licht. Für uns ist der alte melancholische Fuchs wieder auferstanden, klettert durchs Fenster in den Winterraum, wo Kleider und Schuhe zum Trocknen hängen und die Gäste sich versammelt haben. «Klucker … Klucker …», ruft Baron Anton von Rydzewsky verzweifelt. Er steckt in einem Kamin an der Cima del Largo, der Ago di Sciora oder sonst einem Bergeller Granitgipfel, Klucker zieht am Hanfseil, grummelt etwas von «Mehlsack» unter seinem Schnurrbart. Gian Rupf und René Schnotz spielen die Geschichte dieser seltsamen Seilschaft zum x-ten Mal, so, als wären sie die Inkarnation vom «Russ im Bergell» und seinem bärbeissigen und genialen Bergführer. Selbst für den Autor des Stücks ist es jedes Mal wieder ein Erlebnis, die beiden vor wechselnder Kulisse und je nach Wetter drinnen in der Hütte oder draussen vor dem Gipfelpanorama zu sehen. Wie machen sie das nur? Diesen Sommer im Berner Oberland und im Bergell an zwanzig Spielorten vor 750 Gästen, dabei 12’000 Höhenmeter Auf- und Abstieg geschafft, vier Gipfel bestiegen und drei Gletscher gequert. Wie schaffen sie das nur? Heute den Casnilepass von der Albigna her im Sturm, dann das Spiel, und noch immer wirken sie frisch und munter und schlagen kräftig zu bei den Älplermakronen aus der Gourmetküche von Sara. Der echte Klucker, wenn er schnell aus seinem Grab drüben im Fextal steigen könnte, würde ihnen gratulieren und auf die Schulter klopfen und dann noch ein Gläschen mittrinken am Tisch seiner Hütte.
Applaus, Applaus, auch für Maya Albrecht, die die Tournées organisiert hat und die Sponsoren und das Crowdfunding für das Loch in der Kasse, das noch gefüllt werden sollte. Alles Nähere unter www.bergtheater.ch
Vergessen der vierstündige Aufstieg im Sturm, die nassen Klamotten, die Kälte. Wir danken für einen Augenblick des Glücks.

2 Gedanken zu „Bergtheater

  1. Lieber Emil, unser aller Berg Mentor!
    Deine Zeilen wärmen mein Herz, und im Kopf ziehe ich schon wieder los zu nächsten Bergabenteuern! 😉
    Es lebe bergtheater…

  2. lieber emil

    wie nach einer schweren bergfahrt. die glücklich und erfüllend. was bleibt: zufriedenheit. vergessen: alle strapazen und defizite. was zählt: das erlebte. die menschen, mit denen man teilt.

    grazia fitg!
    maya

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