Ganz einfach das Bergbuch der (neueren) Bergbücher.
«Ein Stein ist ein Stein. Oder doch ein Matterhorn? Eine Eigernordwand? Ein Schicksal? Eine Erfüllung? Ein Killer? Die Berge gibt es schon etwas länger. Doch seit es den Menschen gibt, erfindet er sie. Gibt ihnen Namen und Bedeutung, macht sie zum Symbol für eigene Belange. Er erfindet, was er vorfindet. Das ist so seine Art. Er steht vor dem Grand Canyon, aber im Grunde sieht er seine Verlorenheit. Die Gebirge sind steinerne Leere, bis jemand kommt und eine innere Landschaft in ihnen erblickt. Berge sind ein gigantischer Rorschachtest für alle, die ihnen verfallen. An ihren Zacken und Grate hängen verborgene Ängste und Sehnsüchte. Kein Wunder enden Gespräche über ihre Faszination sehr bald bei „Das kannst Du nicht verstehen“. Tatsächlich wird uns das Innerste selbst eines geliebten Menschen immer fremd bleiben. Leidenschaften lassen sich nicht verstehen, nur teilen.»
Stark, nicht wahr? Ganz genau hingeschaut. Mit feiner Feder formuliert. Den Bergen neue Seiten abgewinnend. Und den Büchern über sie auch. Markus Rottmann, freischaffender Texter und Kunstschaffender aus Zürich, hat im Schweizer Magazin „Literarischer Monat“ von 2011 bis 2020 Kolumnen zu Bergbüchern geschrieben. Nun ist das Magazin eingestellt worden. Aber die Kolumnen leben weiter. Einerseits auf der Website des bergschreibenden und -steigenden Kolumnisten. Andererseits als Bergbuch, liebevoll und könnerhaft gestaltet. Ein Buch mit dem hochkletternden Titel „Bibliothek der besonderen Bergliteratur“ kann ja auch nicht im papiernen Tiefland festkleben.
„Entstanden sind einundvierzig Kolumnen im festen Glauben, dass Literatur Berge versetzen kann – hinein in die Herzen einer Leserschaft, die glaubte, sich nicht für sie zu interessieren.“ So schliesst Rottmann das Vorwort seiner jüngsten Publikation. Die am Einstieg zitierten Sätze stammen aus Kolumne 29 zum Buch „Bold Climbers“ von Jelena Martinovic, betitelt mit „Wovon wir reden, wenn wir von Bergen reden“. Der Schreibende selbst hat das Werk am 28. Februar 2017 als „Ankers Buch der Woche“ in seinem Newsletter und auf www.bergliteratur.ch vorgestellt. Und ja, da möchte er sich nicht hinter einem Stein verstecken: Dass Rottmann die drei Ausgaben meiner „Gipfelziele im Tessin“ unter dem Titel „Die unerträgliche Leichtigkeit des Genusswanderns“ (Nr. 33) vorstellt, freut mich eigernordwandhoch.
Noch ein Wort in eigener Sache. Genauer: in derjenigen von Emil Zopfi. Denn er hat www.bergliteratur.ch ins Leben gerufen. Am 26. Dezember 2008 erschien der erste Beitrag: „Zopfis BergBlog“ zu Annemarie Schwarzenbachs „Lorenz Saladin, ein Leben für die Berge“. Mein heutiger Beitrag zu Markus Rottmanns Bergbibliothek ist der 1000.
Markus Rottmann: Bibliothek der besonderen Bergliteratur. 41 Kolumnen über Bergliteratur, erschienen im Magazin Literarischer Monat 2011–2020. Eigenverlag, Zürich 2020. Zu bestellen unter www.markusrottmann.ch