So viele Bohrhaken auf so kleinem Raum wie in der Brüggler Südwand gibt es wohl an keinem Berg der Welt. Bequem und sicher und doch des Guten etwas gar viel.
Die Wand ist zur Kletterhalle geworden. Die Routen, im Abstand von Metern, von Freund Felix Ortlieb mit runden Täfelchen beschriftet, so dass man nicht fehl gehen kann, aber man geht dann vielleicht doch fehl, denn die Wege kreuzen sich, und so hat Felix an manchen Knotenpunkten nochmals seine liebevoll mit Schlagbuchstaben gefertigten Orientierungsscheiben montiert, samt Bohrhaken und Abseilstand. Ein Bohrhaken-Eldorado, rundum glitzert es, bis der Nebel einfällt, vom Bockmattli her, die Wand entlang streicht und wir ein bisschen zu frieren beginnen.
Nein, wir gehen nicht fehl. Flugroute, schon so oft geklettert, ein Klassiker, die Seillängen gehören zu den schönsten am Brüggler, am wenigsten Gras und Bäume, und oben, wo die Route in ein Wäldchen übergeht, da kehren wir um. Abseilen. Das überdimensionierte Gipfelkreuz mit Blitzableiter lockt uns nicht. Eher schon das Café Müller in Näfels.
Es ist ja schön und bequem und sicher, so zu klettern. Wunderbarer Fels, fest und manchmal etwas glatt und die Griffe noch erstaunlich rau. Genügend Haken, sehr genügend, fast zu viele. Manche Routen gar mit Farbe markiert, damit man sie im Gewirr der unzähligen Möglichkeiten nicht verfehlt. Bestimmt werden irgendwann am Brüggler auch die Griffe farbig markiert sein, wie in der Halle eben.
Ich nehm’s hin. Ich stelle mich nicht gegen den Fortschritt, wenn es denn einer ist. Die Briten würden es unerträglich finden, im Peak District, wo ich oft kletterte, sind nicht mal Standhaken erlaubt. Auch am Brüggler wären unzählige Routen «clean» möglich. Perfekte Risse um mit Keilen und Friends alles abzusichern. Alles dauerte etwas länger, man kletterte bedächtiger. Nur die glatten Partien, wie eben Flugroute, blieben unberührt. Wär’s ein Verlust?
Brüggler clean. Ich kenne das. Einst schauten wir vom Bockmattli hinüber zu der eigenartigen, mit Gras und Föhren durchsetzten geneigten Kalkplatte. Komisch, dachten wir. Viel zu flach um zu klettern. Irgendwann kamen wir herüber, kletterten irgendwo hoch, fanden es nicht übel. Es gab noch keine Routen. Ein schöner Herbst, ich erinnere mich. Jörg Marti war dabei, ein brillanter Kletterer. Im kommenden Jahr stürzte er am Bonattipfeiler in den Tod.
Mit Christa war ich hier, lange vor unserer Heirat und die ist liegt auch schon wieder 41 Jahre zurück. Seither ungezählte Male. Und heute wieder. Die Bohrhaken hänge ich gerne ein, in der Wand ist nicht der Ort für kritische Gedanken, die kommen dann erst am Schreibtisch.