Melancholie bei Nebel, Regen und der Verlagsabrechung. Dazu die Erinnerung an einen grossen Alpinisten und Buchautor: Lionel Terray.
Die Nebel streichen den Bergen entlang und die Felsen tropfen. An einem so tristen Tag trifft auch noch die Verlagsabrechnung ein. Besser nicht hinschauen! Auch Zahlen sind Abgründe, vor allem, wenn sie das finanzielle Resultat jahrelanger kreativer Anstrengung und Hingabe widerspiegeln. Gelegentlich kommt einem das Wort des französischen Alpinisten Lionel Terray in den Sinn, der schrieb, Klettern sei die «Eroberung des Unnützen». Ebenso erscheint mir gelegentlich das Schreiben: eine Passion ohne offensichtlichen Sinn und Zweck. Produktion von Bücherbergen, die sich im Lager des Verlegers stapeln, wie er mir aufs Stück genau rapportiert.
Doch immer wieder bricht man auf, nimmt alle Mühsal auf sich und setzt sich ein neues Ziel: ein Berg, ein Buch. Lionel Terray hat es wohl ebenso gehalten, doch hat er nicht nur die grössten Routen seiner Zeit geschafft, etwa die zweite Durchsteigung der Eigerwand 1947, sondern auch einen spannenden Bestseller verfasst: «Les Conquérants de l’inutile». Einer der Helden unserer Jugendzeit also; ich erinnere mich an den Schock, als er 1965 im Vercours mit einem Seilgefährten abstürzte. Einfach so aus einer Wand gefallen, als unterstreiche sein Sterben die Aussage seines Buchtitels. Doch im Grunde ist in keinem Tod ein Sinn oder Zweck zu erkennen, ob am Berg oder im Krieg.
Nun, eigentlich wollte ich ja etwas ganz anderes schreiben, aber die Melancholie des Wetters und die Abgründe der literarischen Oekonomie haben mich in diese morbide Stimmung versetzt. Also hefte ich die Verlagsabrechung ab und blogge. Vielleicht ist das noch sinnloser als Bücherschreiben in der Zeit der neuen Medien, des Internet und SMS. Lionel Terray hat Spuren hinterlassen in der alpinen Geschichte und Literatur. Die Spuren, die Blogger in der Datenwüste des neuen Mediums hinterlassen, gleichen Magnesiaspuren im Fels. Vielleicht «liest» sie jemand, findet dank ihnen Halt. Doch der nächste Regen wäscht sie weg. Ah! Morgen sind die Routen im Klettergarten wieder sauber und der Wetterbericht verspricht gelegentlichen Sonnenschein. Nicht zu heiss, nicht zu kalt. Vergessen alles und nur noch der nächste Griff zählt. Die Passion. Das Unnütze. Das Leben.