Rechtzeitig zum 105-Jahr-Jubiläum des SAC sind alle Jahrgänge der «Alpen» online. Eine Gelegenheit, literarischen Spuren nachzuspüren.
Das Wort «Scheisse» im Text gefiel der Dame in der Jury nicht – trotzdem wurde dem jungen Extremkletterer und Hobbyschreiber der erste Preis im «Literarischen Preisausschreiben des SAC 1973» zugesprochen. Ein Lichtblick für den Dreissigjährigen, er eben Vater geworden war, stellenlos und sich wild entschlossen hatte, ein Schriftsteller zu werden. Der Text «Cengalo, Cengalo» war vielleicht schon Wurf, sicher etwas experimenteller, als sich Alpine Literatur damals präsentierte. Dank der Online-Schaltung aller Jahrgänge der SAC-Zeitschrift «Die Alpen» ist er nun wieder verfügbar, samt allen Fehlern des Scannings und nicht so schön typografisch dargestellt, wie es sich der Jungautor damals vorgestellt hatte (Um den Text zu lesen, muss man sich anmelden und einloggen).
Der Erlebnisbericht vom Cengalopfeiler überzeugte auch die damalige Redaktorin eines deutschen Bergsteigermagazins, die das S-Wort offenbar nicht störte. Jim Perrin, der Übersetzer ins Englische für seine spannende Sammlung «Mirrors on the Cliffs», machte ein harmloses «just awful» daraus.
(Seine Fassung auf: http://www.zopfi.ch/0e/Cengalo.html, die deutsche im Buch: Sanduhren im Fels.)
Der Text erschien im darauffolgenden Jahr in den «Alpen» samt dem ominösen «Scheisse», den zweiten Preis errang die kürzlich verstorbene Gaby Steiger, Kletterpionierin der Churfirsten und seit vielen Jahren im Rollstuhl. Den dritten Rang erziehlte Othmar Kost, Erstbegeher der Bockmattli Nordwand. Prominente Konkurrenz also. Dem Jungautor schwoll der Kamm, aber vorerst hatte er als Junginformatiker für seine junge Familie zu sorgen, die Schriftstellerei wurde ein paar Jahre vertagt.
Schon ein Jahrzehnt zuvor hatte er es schon mal versucht, im jugendlichen Übermut nach einer verrückten Begehung des Südostpfeilers des Salbitturms 2 – eine haarsträubende Holzkeilroute von Kurt Grüter und Wisi Fleischmann, seine erste Extremkletterei sozusagen, mit Biwak im Horefellicouloir ohne Wasser, mit Sturz ins Seil und weiteren Abenteuern. An diesem lustvollen Leiden sollte die bergsteigende Menschheit teilhaben. Der Bleistift flog, ein Freund tippte den Text ins Reine und der damalige Redaktor der «Alpen» (und Ehemann der obigen Dame) übernahm den Bericht ins Heft – nicht ohne kräftig zu redigieren und zu korrigieren und alles in politisch korrekte «Alpen»-Mass zu stutzen. Obwohl da bestimmt kein «Scheisse» drinstand und auch nichts Experimentelles oder sonst Anstössiges. Davon kann sich die geneigte Leserschaft auch heute wieder überzeugen, 150-Jahre SAC sei Dank:
Man weiss mittlerweise, dass unsere Heldentaten im Fels schneller vergessen sind, als das Magnesia von den Griffen verweht. Dank SAC-Jubiläum und Internet bleibt nun aber doch einiges erhalten für die Ewigkeit oder wenigstens bis zum nächsten Servercrash.
Am Cengalo war ich nie, dafür am Salbit- und am Badile, dem Nachbarsberg des Cengalo. Auch ich verfasste einen Text „Traum vom Badile“, den ich den Alpen zustellte. Allerdings ohne Erfolg, was z. T. am Bildmaterial lag, das nicht den modernen Anforderungen genügte, wie der Redaktor mir schrieb. Dennoch sind mir beide Klettereien noch in Erinnerung und ich hoffe meinen Seilpartnern auch. Mehr braucht es nicht.