Zwei neue Chalet-Bücher. Überraschend in jeder Hinsicht. Und fast feierlich passend zu (weisser) Weihnachten
«Die fotografische Serie „Chalets of Switzerland“ von Patrick Lambertz bricht auf erfrischende Weise mit den konventionellen Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten, indem Lambertz den Begriff Chalet von seinem Ursprung her interpretiert, der nichts anderes bedeutet als „geschützter Ort“. Seine Serie eröffnet dadurch einerseites einen Raum für eine tiefergehende Beschäftigung mit der Schweiz und ihrer Baugeschichte, andererseis aber auch eine behutsame Hinterfragung der Schweiz und ihrer perfekt inszenierten Klischees insgesamt, indem gerade solche Häuser zu Protagonisten werden, die sich dem Bild der heilen Alpenwelt entziehen.»
Bilanziert Edwin Huwyler am Schluss seines Nachwortes zum Bildband „Chalets of Switzerland“ des deutschen Fotografen Patrick Lambertz, der seit vierzehn Jahren in der Schweiz lebt; sein Fotostudio befindet sich in Lachen. Huwyler kennt sich aus mit Chalets; als ehemaliger wissenschaftlicher Leiter des Museums Ballenberg ist er ein Fachmann in Sachen Bauernhausforschung (mehr zu ihm hier: https://bergliteratur.ch/die-erfindung-der-alpinen-architektur/). Der Titel seines Nachwortes lautet „Das Schweizer Chalet als Sinnbild der Romantik“ – und romantisch im gängigen Sinn sind die 34 Chalets nicht, die Patrick Lambertz in seinem gediegenen, grossformatigen Bildband auf Doppelseiten porträtiert. Dafür umso mehr geschützte Orte; sogar das Chalet Nr. 13 bei Holeneich/Tuggen im Kanton Schwyz, das ziemlich verlottert aussieht – und bei einem Schneesturm fotografiert wurde.
Genau so hat Patrick Lambertz ländliche, einsam stehende Häuser in der Zentral- und Ostschweiz aufgenommen: frontal von vorne mit Schnee und wolkenverhangenem Himmel. Keine Schatten, keine Personen, kaum Landschaft, nur das Haus mit seinen Formen und Farben. Manchmal ein Baum nebenan, da und dort ein meist schneebedecktes Auto, ein paar Telefon- oder Stromdrähte, mal ein Masten, ein Zaun oder eine Nebenstrasse. Mehr nicht: einfach diese charakterischen Häuser aus einem besonderen Gebiet der Schweiz. Natürlich könnten auch typische Berner Oberländer Chalets so fotografiert werden, aber sie hätten nicht gepasst. Fasziniert blättern wir im Werk von Patrick Lambertz von einem neuen, unbekannten und ungewöhnlichen Chalet zum andern, immer wieder leere weisse Seiten aus feinem Papier umschlagend, wie wenn wir durch verschneite, konturlose Landschaft stapfen und zuweilen auf Gebäude treffen würden, die uns Halt geben.
Chalets, die wir so irgendwie noch kaum wahrgenommen haben, gibt es auch in diesem Buch: „Mord im Chalet. Weihnächtliche Krimigeschichten aus der Schweiz“. Das plakatähnliche Titelbild zeigt verschneite Berge und Bäume, ein einsames Chalet sowie eine Luftseilbahnkabine, darin grad gemordet wird. Immerhin dort, denn in den Geschichten sind weder Kabinen noch Chalets Tatorte. Darüber sind wir eigentlich ganz froh, wenn wir die Weihnachtsferien in Skigebieten verbringen werden… Die meisten der zwölf Geschichten wurden extra für diesen Band geschrieben, so von Silvia Götschi, Philipp Gurt oder Kaspar Wolfensberger. Dessen Kauz stapft durch den tiefen Gommer Winter und löst endlich wieder mal einen Fall; Wolfensbergers Krimi „Gommer Winter“ ist 2018 erschienen (vgl. https://bergliteratur.ch/bergkrimis-1-seillaenge/), auch Sommer und Herbst im Goms liegen vor, einfach auf den Frühling warten wir.
Der kommt, keine Bange. Ab 22. Dezember 22 werden die Tage wieder länger. Und zwei Tage später ist Heiliger Abend. Frohe Weihnachten wünsch ich Euch.
Patrick Lambertz: Chalets of Switzerland. Mit Texten von Daniel Blochwitz, Edwin Huwyler und Monika Twerenbold, Deutsch und Englisch. Hartmann Books, Stuttgart 2022. Fr. 58.-
www.patricklambertz.com/photobook-chalets-of-switzerland-1
Miriam Kunz (Hrsg.): Mord im Chalet. Weihnächtliche Krimigeschichten aus der Schweiz. Atlantis Verlag, Zürich 2022, Fr. 23.-