Das Bergbuch der Bergbücher

Einer, der einen sehr weiten Überblick über die alpine Bücherwelt hat, ist Jacques Perret aus Chambéry. Sein zweibändiger «Guide des livres sur la montagne et l’alpinisme» von 1997 ist bzw. war ein wichtiges Referenzwerk. 2011 hat ihm Perret einen grandios illustrierten Katalog folgen lassen, der unter dem Titel „Regards sur les Alpes“ hundert aussergewöhnlich schöne und markante Bücher über die Alpen vorstellt. Seit 2022 liegt der «Guides des livres» in einer dreibändigen Neuauflage vor: DAS Bergbuch der Bergbücher.

«On ne lit pas le Perret. On le consulte, on y flâne, on s’y promène, dénichant à chaque page des informations, des précisions, des anecdotes inattendues.»

Wenn man ihn denn hat, den Perret. Den alten, zweibändigen von 1997. Und den neuen, dreibändigen von 2022. Den «Guide des livres sur la montagne et l’alpinisme (1492-2021)» von Jacques Perret. Der bekannte französische Alpinismushistoriker Yves Ballu schrieb das Préface de la deuxième édition. Seit vier Tagen steht diese (endlich) in meiner Bergbüchersammlung, mit der Nummer 29 hors commerce und signiert vom Autor. Ein schönes, dickes und schweres Weihnachtsgeschenk.

Nochmals Ballu im Vorwort zur zweiten Auflage: «Une nouvelle édition très largement ‹revue et augmentée› pour employer une formule consacrée: trois tomes au lieu de deux, 8600 références au lieu de 4950, 2400 notices biographiques au lieu de 950, pour une total de plus de 2250 pages!» Und ein Gewicht von 4350 Gramm. Allein das Porto von Frankreich nach Bern belief sich auf 40 Euro; es wäre fast günstiger gewesen, die drei Bände in Paris zu holen…

Nun liegt also das Referenzwerk zur alpinen Literatur vor einem, und man nimmt einen der Bände in die Hand, beginnt zu blättern, stösst zufällig auf den Walliser Ingenieur und Geologen Ignaz Venetz (1788–1850), einen der Väter der Eiszeit-Theorie. In der ersten Ausgabe des Perret-Führers fehlte er, in der zweiten finden sich neben biografischen Angaben zwei Broschüren von Venetz, beide „très rare“, mit den Signaturen 4432-B und 4432-C. Perret behielt nämlich die alte Signatur bei, so dass für neu aufgenommene Werke zusätzlich ein Buchstabe zur vierstelligen Zahl gesetzt wurde. Buch 4432 ist «Les Croix des Alpes» von VENDÔME (Henriette de Belgique, duchesse de), «un superbe album illustré sur les Croix des Alpes. Peu courant et recherché», erschienen 1937. Buch 4432-A stammt von VÉNÉON (Jean) und heisst «In memoriam: Tschingel» (1892): eine Biographie der berühmten Hündin von W.A.B. Coolidge, die bei zahlreichen (Erst-)besteigungen dabei war. Die Signaturen 4432-B und 4432-C erhielten ja die Broschüren von Venetz, weshalb «La dent du piment» und «Les Hallucinés» von VENNIN (Thomas) jetzt unter 4432-D und 4432-E aufgenommen wurden. Tout est clair?

Im dritten Band der zweiten Ausgabe finden sich hinten der «Index des titres» in alphabetischer Reihenfolge und der «Index géographique». Beim Stichwort «Piz Badile» sind 12 Bücher aufgelistet, darunter dasjenige von Marco Volken; beim «Eiger» 34, darunter nur dasjenige von Rainer Rettner, das auch in französischer Übersetzung erschienen ist. Ankers «Eiger, théâtre du vertige» fehlt in dieser Liste, kommt aber sonst schon vor, ja sogar in der Einführung zur neuen alpinen Literatur.

Natürlich treten bei einem solch gross angelegten Werk immer Lücken auf. Warum von Emil Zopfi nur seine Tödi-Monographie aufgenommen wurde, diejenigen zu Glärnisch, Churfirsten und Mythen jedoch nicht, bleibt ein Geheimnis. Lägen sie auch auf Französisch vor, fehlten sie kaum. Aber auch in dieser Sprache gibt es Absenzen: Die Gebrüder Remy schrieben drei wichtige Bücher zur alpinistischen Geschichte von Argentine, Gastlosen und Jura, doch nur «Les Miroirs de l’Argentine» sind dabei. Aufmerksam hingegen, dass Perret darauf hinweist, dass Claude und Yves Remy 2016 den Albert Mountain Award erhielten.

Ein Hinweis noch für Sammler: Den «Index des collections» hat Jacques Perret für die zweite Auflage seines Führers der Bücher über die Berge und den Alpinismus nicht weitergeführt. Einerseits gibt es ja abgeschlossene Sammlungen wie «Les 100 plus belles courses», die Gaston Rébuffat für die Éditions Denoël betreute; als 27. und letzter Band kam 1990 «L’Oberland bernois à ski» heraus. Andererseits werden andere Bergbuchreihen laufend fortgeführt – und neu gestartet. Die Arbeit an einer dritten Auflage des «Guide des livres sur la montagne et l’alpinisme» geht einem also nicht aus. Doch in den nächsten Jahrzehnten und überhaupt konsultieren wir die zweite.

Jacques Perret: Guide des livres sur la montagne et l’alpinisme (1492-2021). Librairie Giraud-Badin, 2022. 3 Bände. www.giraud-badin.com. Verfügbar in der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern.

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