Das Buch vom Schnee

Schnee ist ein flüchtiges Element. Charlie English jagte ihm nach, in Grönland, auf Skitouren, in Alaska und wo immer er sonst noch fällt.

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„Ich krabbelte in das fast fertige Schneehaus hinein und legte mich hin. Obwohl es klein war und unfertig, der Fußboden rau und die Wände undicht, fühlte es sich doch wohlig an hier drinnen, so geschützt vor Wind und Eisbären. Es gibt wohl keinen besseren Baustoff als Schnee, liegt doch in seiner Vergänglichkeit, so schien mir, etwas Vollkommenes. Welches Bauwerk könnte in größerer Harmonie mit der Erde sein als ein Iglu, der keinerlei Abfall produziert und keine Spuren hinterlässt?“

Eine gute Frage, die der englische Journalist und Schriftsteller Charlie English da stellt und gleich beantwortet, nicht wahr? Nur können (und wollen…) wir nicht alle im Schnee wohnen und Iglus bauen. Und diejenigen, welche dies tun (müssen), können es auch immer weniger. Weil der Schnee seltener und ungleichmässiger fällt. Und weil die Inuit, die einheimische Bevölkerung im höchsten Norden, immer sesshafter werden und somit verlernen, einen perfekten Iglu in kürzester Zeit zu bauen. Charlie English hat es versucht und die Nacht in seinem unfertigen Schneehaus überlebt. Wie so viele andere Erfahrungen mit der weissen Masse ebenfalls.

„The Snow Tourist. A Search for the World’s Purest, Deepest Snowfall” heisst sein Buch in der Originalausgabe. Der etwas genauere Titel. Denn genau danach sucht der Autor vor allem: Nach dem Ort auf der Welt, wo am meisten Schnee fällt. Was gar nicht so einfach zu finden ist, weil die Messmethoden ziemlich unterschiedlich ausfallen. Aber am Thompson Pass drüben in Alaska fällt er meterhoch. Wie die Menschen damit umgehen – und er selbst: Davon berichtet der Schneetourist. Von Wechten, Verwehungen, Lawinen, Kristallen. Unterhaltsam, kenntnisreich, überraschend. Natürlich wird auch seine eigene Heimat abgedeckt: die Lawine von Lewes (das ist ein malerisches Städtchen in England, wo eine abbrechende Wechte Häuser unter sich begrub), die einst florierende Skigebiete von Schottland (sie mussten wegen des Wandels des Klimas einen solchen im touristischen Angebot vornehmen).

Schnee ist eben ein flüchtiges Element. Charlie English jagte ihm nach, auch im berühmten Gemälde „Die Jäger im Schnee“ von Pieter Brueghel dem Älteren. Auch auf Skitouren, zum Beispiel im Wildstrubel-Gebiet. Da allerdings ist der Schneetourist nicht immer ganz so präzise wie Schneekristalle – aber vielleicht liegt es auch an der Übersetzung. Die Rückkehr ins Tal von einem verschneiten Gipfel mit Ski oder Snowboard (mit letzterem ist der Schneesucher unterwegs, was manchmal jedoch nicht ganz klar wird) nennt man jedenfalls Abfahrt und nicht Abstieg … Und auch die Ausführungen zu Lawinen sind nicht ganz so messerscharf wie die Anrisse von Schneebrettern. Und, wenn ich schon am Kritisieren bin: Zu den Ausführungen, was der Mensch mit Schnee macht und machen muss, gehören eigentlich auch die Nevere, die Schneegrotten in der Valle di Muggio im Südtessin. Die Reise dorthin jedenfalls hätte der Ehefrau und den Kindern von Charlie English für einmal bestimmt gefallen.

Charlie English: Das Buch vom Schnee. Rogner & Bernhard, Berlin 2009, CHF 49.90.

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