Aus dem „finsteren Tal“, gibt es kein Entweichen, auch beim Lesen nicht. Die Geschichte und die Sprache von Thomas Willmann nehmen uns gefangen. Gewaltig, grandios – und gnadenlos. Ludwig Ganghofer lässt grüssen.
„Als der Fremde mit seinem Maultier das Hochtal erreichte, lag in der Luft schon der Geruch des ersten Schnees. Der Atem des Mannes und des Tieres malte kleine Wolken in die klare Luft, und er ging schwer – die beiden hatten den felsigen Anstieg hart genommen, um vor dem Mittag ihr Ziel zu erreichen.
In dem kleinen Dorf, das sie unten hinter sich gelassen hatten, war die Sonne noch über einem Herbsttag aufgegangen, dem die letzte Erinnerung an die Wärme des Sommers in den Spinnweben hing. Hier oben aber konnte man bereits den Winter ungeduldig mit seinen Knochen klappern hören.“
So beginnt ein Roman, den ich gestern Abend zu Ende gelesen habe. Draussen hängt der Himmel fast voller leichter Wolken, Vorboten von schweren, die vielleicht und hoffentlich Schnee bringen werden, jedenfalls den höheren Regionen. Immer wieder blinzelt die Sonne durch und lässt die Blätter am Quittenbaum gelb aufleuchten. Die Winterstürme werden sie dann auf den bereits kalten Boden wirbeln.
Kalt ist auch das Hochtal, in das Greider, ein Kunstmaler, mit seinem Maultier eintritt und in dem er um Quartier bittet. Die Bewohner sind misstrauisch, wollen den Fremden nicht, verschaffen ihm aber gegen gutes Geld eine Kammer, wo er bleiben und malen kann. Dann kommt der Winter, schneidet das Tal von der Aussenwelt ab, und die Geschichte nimmt ihren unabänderlichen Lauf. Am Schluss des Romans und am Ende des Winters kommen Mann und Tier wieder aus dem Tal heraus. „Und lange schauten seine dunkelbraunen Augen in den blauen, leeren Himmel“ – der letzte Satz auf Seite 315.
Mehr verrate ich nicht. Oder nur so viel: Ist man einmal drin im „finsteren Tal“, gibt es kein Entweichen. Die Geschichte und die Sprache von Thomas Willmann nehmen uns gefangen. Gewaltig ist das, grandios – und gnadenlos. Und vielleicht noch ein Hinweis, damit Ihr wisst, auf was Ihr Euch da einlässt, am Beginn des Winters: Als Schutzheilige für sein Buch wählte der Autor Ludwig Ganghofer und Sergio Leone.
Thomas Willmann: Das finstere Tal. Ullstein Taschenbuch, November 2011, Fr. 14.90. Gibt es auch als Hör- und E-Book.