Happy Birthday! Heute feiert Franz Hohler seinen 75. Geburtstag. Sicher mit Blumen, Grüssen, Grussartikeln (z.B. WOZ) und vielleicht auch einem Päckchen. Und wenn nicht, so heisst doch wenigstens sein letzter Roman so. In dem vieles verschwindet, zum Beispiel auch ein Mann auf der Abfahrt zur Schreckhornhütte.
„Vor vier Tagen bin ich sechzig geworden.“
Der erste Satz in Franz Hohlers Buch „52 Wanderungen“, das 2005 herausgekommen ist. Ein Jahr lang machte sich der Autor auf den Weg und ging durch sein Heimatland, spazierend, wandernd und kletternd, einmal pro Woche. Die erste Tour führte in sihlaufwärts. Oft war er allein unterwegs, allein mit sich, seinen Gedanken, seiner Neugier, seinem Skizzenblock.
Allein unterwegs sein. Darum geht es auch im jüngsten Buch von Franz Hohler, dem Roman „Das Päckchen“. Ausschnitt von Seite 115:
„Hast du den Fehler schon herausgefunden?“
„Ich glaube schon“, sagte Ernst, „willst du mal schauen, wie man vom Jungfraugebiet zur Schreckhornhütte kommt?“
Jacqueline schüttelte den Kopf. Sie war keine Kartenleserin. „Hat er eine falsche Route genommen?“
„Nicht unbedingt“, sagte Ernst, „das Obere Eismeer hat er jedenfalls erreicht. Aber –„
„Aber?“
„Aber allein. Das war sein Fehler.“
Und dann ist Ernst Stricker auf dem Weg, den gleichen Fehler zu machen. In den Bergen, aber auch im Alltag. Alles nur wegen eines mysteriösen Telefonanrufes und in der Folge eines Päckchens mit einem kostbaren Inhalt, einer verschollenen Handschrift aus dem 8. Jahrhundert. Die Hauptfigur ist Bibliothekar und Bergsteiger, glücklich verheiratet mit Jacqueline. Bis er eben unvermutet und ungewollt in diese Geschichte mit dem Päckchen hineinschlittert, wie auf frisch gefallenem Schnee. „Warum er den Hörer abgenommen hatte, konnte er sich später nicht mehr erklären.“ Mit diesem Satz beginnt der neue Roman. Er erinnert an denjenigen der ersten Geschichte von Franz Hohler, die im Dezember 1972 in „Westermanns Monatshefte“ abgedruckt wurde: „Am Rand von Ostermundigen steht ein Telefon.“ So heisst auch die Erzählung selbst und der Erzählband: „Der Rand von Ostermundigen.“
Lang ist’s her. Viele wunderbare Bücher hat Franz Hohler geschrieben, „immer höher“ (Titel des Bergbuches von 2014) ist der Stapel geworden. Und nun also das Päckchen. Das aufgemacht wird, Schicht um Schicht. So verfährt auch dieser Roman. Denn der Autor verbindet geschickt die Geschichte von Ernst und Jacqueline mit derjenigen der Frau, deren Mann alleine mit Ski vom Jungfraugebiet zur Schreckhornhütte unterwegs war. Und mit dem Mönch Haimo, der das so kostbare Buch schuf, ein lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch. Auf einem Berg, im Kloster Montecassino südlich von Rom, vereinigen sich beide Erzählstränge. Es ist das 25. Kapitel.
Franz Hohler wird heute, am 1. März 2018, auch ein Päckchen erhalten, bestimmt sogar mehrere. Den eingangs zitierten Satz zu den wöchentlichen Wanderungen schrieb er nämlich am 5. März 2003.
Lieber Franz: Alles Gute zum 75. Geburtstag!
Franz Hohler: Das Päckchen. Luchterhand Verlag, München 2017, Fr. 30.-, www.luchterhand-literaturverlag.de