Der Berg ist nicht alles

Politisch war er in den 1930er Jahren aus heutiger Sicht nicht ganz korrekt. Aber klettern konnte er wie der Teufel – und sah aus wie ein Tarzan der Steilwände: der Österreicher Hias Rebitsch. Als Erster unternahm er Grabungen auf dem Llullaillaco (6739 m), dem dritthöchsten Vulkan der Welt.

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„Mit Bestimmtheit waren diese höchsten Steinbauten der Erde einst – vermutlich unter der Herrschaft der Inka – zeitweilig unter Zwang von Menschen besetzt, vom ‚diensttuenden‘ Indianer bewohnt, der die Anlage – Opferstätte? Signalstation? – zu warten, die Glut vor dem Erlöschen zu hüten hatte.

Wie weit mag man die Feuer in klaren Nächten gesehen haben? Welche dämonische Gewalt zwang den Indio in diese eisige, atemberaubende Höhe herauf, in der der Sturm oft tagelang rast, in den Nächten die Temperatur bis 20 Grad unter null herabsinkt? Waren es nur Kräfte des Glaubens? Sonnenanbetung? Oder auch militärische Erfordernisse? Nachrichtenübermittlung? Der rücksichtslose Befehl des Inka, der auch seine Laufboten zu Tode hetzte?“

So fragte der österreichische Bergsteiger und Höhenarchäologe Matthias Rebitsch (1911-1990) im Jahrbuch des Deutschen Alpenvereins von 1959 – und wiederum im Buch, das Horst Höfer nun über ihn herausgegeben hat. Vier Expeditionen unternahm Rebitsch in die Berge der Punta de Atacama in Südamerika, um die Stätten der Inkas zu untersuchen, vor allem am Cerro Llullaillaco (6739 m), auch Llullayacu geschrieben. Dort, am dritthöchsten Vulkan der Erde, fand er bis zum Gipfel hinauf Hüttenruinen, Steinsetzungen und auch Grabbeilagen. Bestätigt wurden Rebitschs Forschungsergebnisse 1999 durch eine amerikanischen Expedition, die am Llullaillaco drei Inkamumien freigelegte, unweit einer seiner Grabungsstätten. Die Inkas erreichten in der Zeit von 1400 bis 1550 die Höhe von gut 6700 Meter über Meer. Erst 1855 gelangten die deutschen Geografen Hermann, Adolph und Robert Schlagintweit während ihrer Forschungsreise im Himalaja auf der Nordseite des Abi Gamin (7355 m) im Kamet-Massiv bis hinauf auf 6780 Meter. Vielleicht errichteten sie dort oben ein Steinmännchen, sicher aber nicht Weganlagen und mannshohe Rundhütten wie die Inkas auf dem Llullaillaco.

Dieser kahle Gipfel war einer der Höhepunkte im Leben von Hias Rebitsch. Bei der Kletterern bekannt geworden ist er durch seine wilden Touren. Die Erstbegehung der Goldkappl-Südwand war eine haarsträubende Sache – es fehlte wenig, und die Geschichte wäre nie geschrieben worden. Solche schrieb Rebitsch 1937 auch mit dem ersten Rückzug aus dem oberen Teil der damals noch undurchstiegenen Eigernordwand, zusammen mit Wiggerl Vörg. Wäre Rebitsch im Jahr darauf nicht gegen den Nanga Parbat aufgebrochen, so gehörte er wahrscheinlich zu den Erstdurchsteigern der berühmten Nordwand. Sein Bericht ist im Buch von Höfler abgedruckt; Leser von Rainer Rettners Werk „Eiger – Triumphe und Tragödien 1932-1938 (AS Verlag 2008) werden den Text kennen.

Rebitsch war ein überzeugter Freikletterer und erreichte nachweislich bereits Ende der 1930er-Jahre den siebten Schwierigkeitsgrad – den es offiziell erst seit 1977 gibt. Das alles können wir nun einem schön illustrierten Buch nachlesen. Das Bild auf Seite 119 zeigt den Alpinisten „von feschen Damen umschwärmt“. Einen Grund dafür sehen wir auf Seite 239: der athletische Hias in Badehosen. Ein Gott der Inkas? Nein, eher Tarzan.

Horst Höfler: Hias Rebitsch – der Berg ist nicht alles. Kletterpionier, Freigeist, Höhenarchäologe. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2010, Fr. 37.90

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