Der erste Schweizer Hochgebirgsfotograf

Jules Beck fotografierte 1866 auf dem Gipfel des Wetterhorns, ein Unternehmen mit Plattenkamera, Stativ und Zubehör, das leider misslang. Bergfotografie war einst Abenteuer – ein eher finanzielles Abenteuer ist wohl heute die Herausgabe eines so grossartigen Werks mit 300 Fotos aus dem Hochgebirge von einst. Ein erster Beitrag zum 150-Jahr-Jubiläum des Schweizer Alpen-Clubs.

„Es darf hier bemerkt werden, dass in solchen Höhen eine schnell und sicher operirende Photographie ungemeine Vortheile vor der in künstlerischer Hinsicht weit über derselben stehenden Handzeichnung bietet. Eine gelungene photographische Aufnahme gibt nicht nur das getreueste plastische Bild einer Hochregion, sondern liefert auch die besten Anhaltspunkte für topographische Karten.“

Das schreibt Jules Beck (1825-1904) im ersten Absatz des Artikels „Ueber Photographie in höheren Alpenregionen“, der im vierten Jahrgang des „Jahrbuch des Schweizer Alpenclub“ von 1867 auf 15 Seiten abgedruckt ist. Abbilden, nicht abzeichnen wollte Beck, Mitglied der SAC-Sektion Bern seit der Gründung 1863, die hohen Berge, und zwar vor Ort, wenn möglich vom Gipfel aus. Den Blick von unten, der zu Beginn der Bergfotografie aus ganz praktischen Gründen wegen der ebenso schweren wie umständlichen Ausrüstung der einzig mögliche war, wollte der berg- und geschäftstüchtige Beck mit dem Blick von oben ergänzen. Nicht für sich selbst, sondern für die alpinistische Öffentlichkeit: „Ich nahm die ganze panoramatische Rundsicht auf die Hochalpen in 6 Blättern auf, welche in der Sektion Bern und beim Centralcomité [des SAC] aufliegen“, teilte Beck den Lesern des Jahrbuchs über seine zweite Fotobesteigung mit; sie hatte ihn und seine Bergführer, welche die grossformatige Plattenkamera, Stativ und Zubehör buckelten, Mitte Juli 1866 auf den Mättenberg (3104 m) ob Grindelwald geführt. Ein paar Tage zuvor war die ganze Crew auf dem Gipfel des Wetterhorns gestanden, wo Beck in 45 Minuten vier Aufnahmen machte, die sich jedoch als unbrauchbar erwiesen, weil er die Platten zu lange belichtet und das Stativ nicht wirklich standfest im Schnee verankert hatte. Heute sehen wir in Sekundenbruchteilen, ob die Foto brauchbar ist, und stecken die Digitalkamera anschliessend wieder in die Hosentasche.

Ende Juli 1867 bestieg Jules Beck mit seinen zwei Führern vom Hotel Riffelberg aus den Monte Rosa. Rund 30 Meter unterhalb der Dufourspitze (4634 m), des höchsten Gipfels der Schweiz, stellten sie die Kamera auf: „Von halb eins an hatte ich noch 3 Stunden photographische Arbeit vor mir, und wollte doch Abends, wenn auch spät, zurück sein zu den Fleischtöpfen des Riffelhauses.“ Beck konnte nicht nur mit dem „Apparat von Koch (à Paris, rue St. Antoine, 8 impasse Guemened) à cone tournant pour demi plaque“ und dem ganzen Zubehör umgehen – er listet in seinem Artikel von 1867 das ganze Aufnahmematerial detailliert inklusive Bezugsquelle und Preis auf –, sondern auch mit dem Stift. Das macht seine Berichte immer noch vorzüglich lesbar. Und war auch nötig damals: Seine Leser konnten nämlich die im Text beschriebenen Fotos aus drucktechnischen Gründen nicht sehen, jedenfalls nicht dort, wo die Berichte über das Fotografieren in höheren Alpenregionen veröffentlicht wurden. Jules Beck musste sozusagen so spannend „reden“ über seine neue Art, die Berge zu zeigen, dass die „Zuhörer“ sich hoffentlich aufrafften, seine Produkte an einem zentralen Ort wie dem Clublokal einer Sektion anzusehen – und vielleicht auch zu erstehen. Zur Tourenplanung oder als Wandschmuck.

Tempi passati! Denn nun ist das sorgfältig erarbeitete Buch „Jules Beck. Der erste Schweizer Hochgebirgsfotograf“ von Urs Kneubühl und Markus Schürpf da. Ein grossartiges Werk! 272 Seiten. 300 oft ganzseitig abgebildete Fotos von Jules Beck und andere Illustrationen, in acht Bildteilen sauber geordnet, genau beschriftet und mit Zitaten von Beck angereichert; Bergfotos, die noch nie so veröffentlicht wurden – also ein Blick aufs Schweizer Hochgebirge, wie wir ihn noch nie gesehen haben. Fünf Kapitel zur Entwicklung des fotografischen Schaffens von Beck, zur seiner Lebensgeschichte, zur Präsenz und Resonanz seines Werkes, zur Faszination und Herausforderungen des frühen Fotoalpinismus, sowie dazu, wie die Fotos von Beck den Wandel bezeugen. Ein Anhang mit Register, Bibliografie, Anmerkungen, Chronologie, Katalog-Verzeichnis, Gesamtverzeichnis der Fotografien und Fototouren-Verzeichnis. Eine Riesenarbeit! Sie war zu gross für die Jules-Beck-Ausstellung „Photographische Seiltänzereien“ im Alpinen Museum in Bern von 2010/2011. Nun läutet das Buch sozusagen das Jubiläumsjahr „150 Jahre Schweizer Alpen-Club“ ein.

Urs Kneubühl, Markus Schürpf: Jules Beck. Der erste Schweizer Hochgebirgsfotograf. Scheidegger & Spiess, Zürich; Alpines Museum der Schweiz, Bern, 2012. Fr. 99.-

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