Zwei dicke, reich illustrierte und wissenschaftliche Bücher über Maler, welche die oft gebirgige Natur abbilden, und über das Sammeln dieser Bilder. Entdeckungsreisen auf dem Sofa.
«Auf meiner letzten Reise durch die herrlichen Thäler des Bisthums Basel fand ich an einem Tage an drey verschiedenen Stellen der Birs Zeichner sitzen, welche die herrlichen Wasserfälle dieses Fluss und die umliegenden romantischen Gegenden studierten. Die Liebhaber der Kunst sind in der Schweiz nicht weniger zahlreich, als die Künstler selbst: und unter diesen gibt es viele durchreisende Auslaender, die nicht leicht verfehlen, in einem mit den reichsten und seltensten Naturgemaelden bereicherten Lande zu zeichnen.»
Das notierte der deutsche Gartenhistoriker und Philosophieprofessor Christian Cay Lorenz Hirschfeld in seinen 1785 in Kiel publizierten «Neue Briefe über die Schweiz». Und just darum geht es im Buch, in dem ich dieses Zitat in der Einleitung fand: «Der Maler in der Natur. Zur Schweizer Landschaftsmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts» von David Schmidhauser, Kurator für die Kunst des 18. bis 20. Jahrhunderts am Kunstmuseum Winterthur. Er zeichnet anhand bisher kaum erforschter Künstler wie Conrad Meyer, Felix Meyer oder Wilhelm Stettler ein neues Bild der Rolle des Malers in der Natur und seiner Tätigkeiten, sei es an der Staffelei oder mit dem Zeichnungsblatt auf den Knien. Die künstlerische Arbeit in der freien Natur unterscheidet sich ja wesentlich von der Studiopraxis, denken wir nur an die schlechten Weg- und überraschenden Wetterverhältnisse. Das reich illustrierte Buch wirft einen erfrischend neuen Blick auf die Freilichtmalerei. Quellen- und Literaturverzeichnis, Anmerkungen und Personenregister runden die gewichtige Studie ab. «Ein Muss für jede Bibliothek mit Büchern zu Kunst und Darstellung der Landschaft!», fand zu Recht die Bücherrundschau.
Das gilt auch für «Voyager et s’en souvenir. L’appropriation visuelle et matérielle de la Suisse et des Alpes par voyageurs anglais» der Kunsthistorikerin und Museologin Danijela Bucher. Im 18. Jahrhundert begannen die ersten englischen Alpenreisenden, Drucke zu erwerben, die von einer Gruppe von Künstlern hergestellt wurden, die als Schweizer Kleinmeister bekannt waren. Tausende von Drucken, die die Touristen nach England mitbrachten und die nun in den Sammlungen des National Trust, der British Library und des British Museum zu finden sind. Danijela Bucher untersucht die Verbreitung von Schweizer Bildern in England und die materielle Form, in der sie seit dem 18. Jahrhundert gesammelt, transportiert und aufbewahrt wurden, und beleuchtet, welche Drucke die Reisenden bevorzugten und welches Interesse sie an ihnen hatten. Mit dabei sind William Windham, einer der Entdecker von Chamonix, und Albert Smith, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit seiner Montblanc-Show in London Entscheidendes zum neuen Bergsport beitrug. Vorgestellt werden ebenfalls Jane Parminter and Mary Parminter, die 1786 die erste Frauenbesteigung des Mont Buet machten und die das wundervolle, 16-eckige Cottage A la Ronde in der Grafschaft Devon erbauen liessen, darin die Souvenirs von ihren Reisen aufbewahrt sind; https://en.wikipedia.org/wiki/A_la_Ronde. Im Treppenaufgang hängt, erst beim Abstieg sichtbar, der Stich «Vue du principalle Borne du Champs de Bataille de Nefelts» von H.S. Schmitz aus dem Jahre 1789. Danijela Bucher vermutet, dass die Cousinen Parminter das Bild nicht wegen des langweiligen Schlachtfeldes von Näfels im Vordergrund gekauft und nach Hause mitgenommen haben, sondern wegen der gut erkennbaren Glarner Berglandschaft mit Vorder Glärnisch, Vrenelisgärtli, Wiggis und Rautispitz. Die gebirgige Schweiz ist eben auch an Linth und Birs erleb- und malbar.
David Schmidhauser: Der Maler in der Natur. Zur Schweizer Landschaftsmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts. Hirmer Verlag, München 2024. Fr. 55.- www.kmw.ch/produkt/der-maler-in-der-natur/
Danijela Bucher: Voyager et s’en souvenir. L’appropriation visuelle et matérielle de la Suisse et des Alpes par voyageurs anglais. Sorbonne université presses, Paris 2023. € 35,00.