Der Medaillen-Schneider

Schweizer Sport- und Skigeschichte hautnah: mit zwei Büchern über Goldmedaillen-Gewinner und mit einem Basar voller Berg- und Skibücher, Karten und Panoramen.

„Ich dachte, ich müsste schneller skifahren und nicht einfach einen anderen Anzug anziehen.“

Sagt der Schweizer Abfahrtsolympiasieger und -weltmeister Bernhard Russi im Buch, darin es eben genau um das geht: Wie rundum passende Bekleidung Sportler schneller machen können. Und da ist ein anderer Schweizer ab 1972 allen davon gefahren: der 1932 geborene Hans Hess. Ob Ski alpin oder Skisprung, Eislauf oder Segeln, Rad- oder Motorradfahren: Für dreissig, insbesondere aerodynamische Sportarten hat der unermüdliche Tüftler die richtige Bekleidung hergestellt. Und richtig meinte meistens schneller, mit weniger Luftwiderstand. Die Presse feierte ihn als „Hexenmeister“, „Anzugprofessor“ oder „schnellsten Schneider der Welt“. Nun hat die Journalistin Ines Rütten ein spannendes, mehrschichtiges Buch über Hans Hess verfasst: die Biografie über einen Schneider, der (Schweizer) Sportgeschichte geschrieben hat.

Bernhard Russi ist nicht der einzige Sportler, der für „Der Medaillen-Schneider. Wie Hans Hess Athleten aus aller Welt zu Gold verhalf“ ein Interview gegeben hat. Weitere stammen von Marie-Theres Nadig und Walter Steiner, von den Crazy Canucks, den verückten kanadischen Skirennfahrern, vom Radrennfahrer Daniel Gisiger und vom Seitenwagenpilot Rolf Biland. Alle standen sie mehrmals zuoberst auf dem Podest, und das eben nicht nur wegen ihres Könnens, sondern auch dank des richtigen Anzugs aus dem Atelier von Hans Hess im thurgauischen Aadorf. Unvergesslich sind die Skiweltmeisterschaften 1987 von Crans-Montana, als die Schweiz acht von zehn Goldmedaillen gewann. Erika Hess, Vreni Schneider und Maria Walliser, Peter Müller und Pirmin Zurbriggen siegten in den hautengen, roten und mit gelben Streifen versetzten Anzügen. Ein Foto zeigt Hans Hess strahlend neben den ebenso strahlenden Athleten. Den vielleicht berühmtesten Dress entwarf der „Pionier im Bereich moderner Sportbekleidung“ (Wikipedia) ein paar Jahre später, nämlich den knallgelben Dress im Käse-Look; er war der letzte von ihm entwickelte Anzug vor Beendigung seiner Tätigkeit im Jahr 1994. Im Käse-Dress gewann Urs Lehmann, heute Präsident von Swiss-Ski, 1993 die Abfahrt der Ski-WM im japanischen Morioka. Lehmann schrieb natürlich das Vorwort zum Medaillen-Schneider.

Und zu einem zweiten Buch zur Schweizer Skigeschichte ebenfalls. In „Ski Alpin. Gold für die Schweiz“ porträtieren Initiant und Projektleiter Heinz Egli und Autor Lars Wyss die 47 Sieger an Weltmeisterschaften und Olympiaden. Und das rückblickend von den olympischen Winterspielen in Pyeongchang 2018 bis zur ersten Skiweltmeisterschaft überhaupt, die 1931 in Mürren stattfand, wo die Schweiz zweimal Gold gewann (Walter Prager in der Abfahrt, David Zogg im Slalom). Dabei sind die Porträts der Skirennfahrerinnen und Skirennfahrer von heute um einige Tore bzw. Seiten länger als diejenigen von vorgestern. Gerade von Madeleine Berthod (Jg. 1931) und von Renée Colliard (Jg. 1933), die an der Winterolympiade von Cortina d’Ampezzo 1956 Gold in der Abfahrt bzw. im Slalom holten, würde man aber gern ein bisschen mehr erfahren und sehen.

Buchmässig sind wir also bereit für die Skiwettkämpfe des kommenden Winters, ob im eng anliegenden Dress oder im weit geschnittenen Anorak spielt beim Blättern und Lesen keine grosse Rolle. Wenn der Schnee weiterhin nicht so richtig fallen will, so könnten wir uns auf die Piste nach weiteren (Ski)büchern machen, und zwar am nächsten Freitag und Samstag in der Zentralbibliothek Zürich. Dort hat der Schweizer Alpen-Club seine Bibliothek integriert. Um aber Platz für den ständig wachsenden Bergbücherberg zu schaffen, hat die Bibliothekskommission des SAC doppelte Exemplare ausgeschieden. Die rund 1000 Doubletten werden nun zu einem sehr bescheidenen Preis zum Kauf angeboten; manche werden gar gratis abgegeben. Wer also einen dieser ausgezeichneten Clubführer von Heinrich Dübi, Marcel Kurz oder Maurice Brandt mit vergessenen Routen und zahlreichen Literaturangaben konsultieren, wer eines der wunderbaren Panoramas, die einst den SAC-Jahrbüchern beilagen, aufklappen und an die Wand hängen möchte, sollte in die Zentralbibliothek nach Zürich stöckeln.

Ines Rütten: Der Medaillen-Schneider. Wie Hans Hess Athleten aus aller Welt zu Gold verhalf. AS Verlag 2018, Fr. 39.80.

Lars Wyss, Heinz Egli: Ski Alpin. Gold für die Schweiz. Die Sieger. Weber Verlag 2018, Fr. 49.-

Buchvernissage mit Hans Hess: Dienstag, 13. November, um 19 Uhr im Rotfarbkeller im Areal Rotfarb an der Hauptstrasse 47 im thurgauischen Aadorf.

Berg-Bücher-Basar: Freitag, 16. November 2018, 14-17 Uhr; Samstag, 17. November, 9-17 Uhr, im Seminarraum C der Zentralbibliothek Zürich am Zähringerplatz 6 in Zürich.

Interviwagt

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