Glücklich sein ist so eine Sache. Im Nachhinein verstehe ich nicht, weshalb ich mich damit so schwer tat. © Annette Frommherz
Es hätte kein sonnigerer und milderer Tag werden können. Meteorologen schwärmten schlechthin vom wärmsten Oktoberwochenende seit Messbeginn. Skeptiker verzogen das Gesicht und machten die Erderwärmung dafür verantwortlich. Die Optimisten hingegen schlossen die Haustüre ab und suchten das Weite in der Sonne. So auch ich.
Dass der Druesberg im Hoch-Ybrig hinten noch ein wenig Schnee am Gipfel drapiert haben könnte, kam mir nicht in den Sinn – weiter unten war ja noch fast Sommer. Viel war es nicht, aber genug, damit ich zögerte. Eine schmale Stelle, nur knapp vor dem Gipfel, rechts der Fels, links der Abgrund – in meiner Wahrnehmung hinunter bis tief in die Unendlichkeit. Der Pfad war schneebedeckt und ich nicht mutig genug, darüber zu gehen. Ich hätte den Blick einfach geradeaus richten müssen, dachte ich verärgert weiter unten, nachdem ich rechtsumkehrt gemacht hatte. Der Hinweg ist das eine, der Rückweg das andere, und zudem bin ich alleine unterwegs, versuchte ich mir gut zuzureden. Und trotzdem. Du Weichei, schimpfte ich mich, du Mimose! Die Vernunft hat gesiegt, tröstete ich mich postwendend. Anstatt mich zu freuen ob der fantastischen Aussicht, haderte ich mit mir und meinem Entscheid. Ich verpasste damit das Glück.
Heute habe ich es nachgeholt. Aus dem Nebel heraus bin ich auf den Bachtel gerannt, mitten in die Morgensonne, unter mir das Nebelmeer. Immer im Blickfeld den Bachtelturm, der mich erwartete, als käme ich jeden Montagmorgen zu ihm hinauf. Welke Blätter segelten in stummer Ergebenheit zur Erde und bedeckten den Boden wie einen warmen Teppich.
Ich war alleine, und ich fühlte mich nie weniger einsam als in dem Augenblick, als ich zuoberst auf der Plattform stand, schwer atmend, den Blick in die Ferne gerichtet. Vor mir, als wärs ganz nah, streckten neugierig der Grosse und der Kleine Mythen ihre Spitzen aus dem weissen Tüll, und irgendwie war die Welt nur noch friedlich. Der Fön liess meine Augen tränen. Vielleicht war es auch das Glück.
Der schöne Text bestätigt Goethe’s Verse: Warum denn in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah…Vom Fernen träumen kann man ja trotzdem…