Die Grindelwaldgletscher

In Grindelwald den Gletschren by – das war einmal, wie wir wissen. Die hohe Zeit des Gletschertourismus im einstigen Gletscherdorf ist passée. Das besprochene Buch beschwört die vergangene Pracht und öffnet auch einen Blick in die vollständig eislose Zukunft.

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„Maintenant le glacier s’étend à leurs pieds, entre les deux montagnes, comme un torrent de marbre avec ses rides gigantesques, ses crevasses, ses vagues solidifiées, dirigeant vers la vallée son mufle menaçant où sont incrustés de gros blocs de roches grises.“

Eine sehr malerische Beschreibung des Oberen Grindelwaldgletscher, die uns da Jeanne Foulquier im französischen Jugendroman „Vacances dans l‘Oberland“ bietet; das Buch erschien 1951 in der „Bibliothèque rose illustrée“ der Librairie Hachette. Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass der Obere Grindelwaldgletscher Eingang in die Literatur gefunden hat – mais non! Bekanntlich sind es zwei Eisströme, die im Tal zwischen Eiger und Schreckhorn bzw. in demjenigen zwischen Schreckhorn und Wetterhorn liegen und einst daraus hervor geflossen sind. Die beiden Grindelwaldgletscher gehören seit dem 18. Jahrhundert zu den meist besuchten und also auch meist beschriebenen, gemalten und fotografierten Sehenswürdigkeiten des Berner Oberlandes und früher ganz allgemein der Schweiz, ja der Alpen überhaupt.

Und dabei ist es geblieben. Auch wenn, wie gesagt, Grindelwald kein Gletscherdorf mehr ist. Weil seine Gletscher sich immer weiter zurückziehen und, wenn das Klima weiterhin so rasant wärmer wird, in 84 Jahren nur noch aus kümmerlichen Resten bestehen werden, die hoch oben in schattigen Hängen kleben. Diese düstere Perspektive jedenfalls zeigt das achte und letzte Kapitel des grossen, schweren und prächtig illustrierten Werkes „Die Grindelwaldgletscher. Kunst und Wissenschaft“, herausgegeben von vier Wissenschaftlern und ihren 14 Mitarbeitern.

Doch im 19. Jahrhundert, ja noch im 20. Jahrhundert hatte Grindelwald zu Recht den Beinamen Gletscherdorf, reichten doch die beiden Eisströme bis vor die ersten Häuser hinab, ja manchmal noch ein bisschen weiter… Zum furchtentzückten Vergnügen der Reisenden, zum Schaden einiger Bereisten, während andere Einheimische das eiskalte Kapital durchaus zu nutzen verstanden. Längst sind aber die „Grottes de glace“ weggeschmolzen, und die Holztreppen zur Gletscherbar modern still vor sich hin, wenn sie überhaupt noch dort sind.

Wer die Grindelwaldgletscher in ihrer ganz Pracht sehen möchte, gemalt von Caspar Wolf und Johann Jakob Biedermann, fotografiert von Frédéric Vincent de Martens und Louis August Bisson, muss zum neuen Werk greifen, das präzise zeigt, wie diese beiden Ströme wuchsen und vergingen, wie sie von Künstlern vermittelt wurden. Und wie genau diese Bilder wiederum helfen, Vorstoss und Rückgang der Gletscher zu dokumentieren. Eine wunderbare Wechselwirkung.

Der Gletscherpfarrer Gottfried Strasser verfasste 1897/98 das „Grindelwaldlied“, da so beginnt: „In Grindelwald den Gletschren by,/da cha mu gäbig läben!“ Alle weiteren Zeilen und Strophen auf http://www.gemeinde-grindelwald.ch/portrait/grindelwaldlied/.

Heinz J. Zumbühl, Samuel U. Nussbaumer, Hanspeter Holzhauser, Richard Wolf (Hrsg.): Die Grindelwaldgletscher. Kunst und Wissenschaft. Haupt Verlag, Bern 2016, Fr. 78.-

Buchpräsentation am Dienstag, 25. Oktober 2016, um 18 Uhr im Alpinen Museum der Schweiz am Helvetiaplatz in Bern. Anmeldung bitte an presse@haupt.ch.

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