Das Bockshorn ist keine Metapher, sondern ein realer Hoger im Entlebuch – jetzt auch Schauplatz einer der Kriminalgeschichten von Peter Krebs.
„Letzten Dienstag war er aufs Bockshorn und dann auf den Napf gestiegen. Er kam dabei durch den Lochgraben. Dort war eine Tanne, keine grosse, auf das Eisenkreuz gefallen, das Reber auch nach so vielen Jahren noch aufwühlte. Die Christusfigur war verbogen, der linke Arm unnatürlich in die Länge gezogen. Es fehlte eine Schraube. Als Reber den Schaden zu reparieren versuchte, stellte er fest, dass das Kreuz nur noch lose im Nagelfluhfels steckte. Er zog es ganz heraus und versorgte es im Rucksack, das Ende schaute oben heraus. Er wollte es zuhause in seiner Werkstatt flicken und dann mit neuem Mörtel an der alten Stelle befestigen.“
Ein Ausschnitt aus der Kriminalgeschichte „Das Anagramm“ von Peter Krebs, zu finden im eben erschienenen Erzählband „Die Nachtfrau“. Ich weiss noch gut, wie Peter und ich von Escholzmatt durch den Lochgraben gegen das Bockshorn wanderten, am 22. Dezember 2008, einem trüben Montag, die Sonne zeigte sich erst beim Abstieg vom Risieggchnubel nach Trub. Der Weg durch den Lochgraben ist nicht die offizielle Wanderroute, diese hatten wir weiter unten irgendwie verloren, vielleicht war der frisch gefallene Schnee schuld, vielleicht auch das Gespräch. Worüber wir dort sprachen, weiss ich allerdings nicht mehr. Aber an die Christusfigur kann ich mich noch gut erinnern, habe sie gar fotografiert, der linke Arm ist wirklich unnatürlich verbogen.
Weiter oben fanden wir dann einen direkten, auf der Landeskarte nicht eingezeichneten Weg über den Südostgrat aufs Bockshorn (1252 m); auf den neuen Kartenblättern heisst es leider nur noch Bock. Wären wir übrigens brav dem Wanderweg gefolgt, hätte ich diesen Direktaufstieg wohl nicht entdeckt. Und Peter Krebs nicht die deformierte Christusfigur.
Was er aber daraus gemacht hat, nämlich die Kriminalgeschichte um den ehemaligen Polizisten Reber, der die Figur reparieren will und dabei endlich den Schlüssel für die Lösung eines Falles findet, ist ganz stark, überraschend – und berührend. Das gilt auch für die andern 21 Stories in seinem neuen Buch. Sechs davon spielen in den Bergen, die Titelgeschichte zum Beispiel in Schwarenbach am Gemmipass; dort haben schon Guy de Maupassant und andere Schriftsteller Spuren hinterlassen. „Verdammt kalt“ ist es am Oeschinensee, das „Duell am Matterhorn“ braucht keine Ortserklärung.
Peter Krebs: Die Nachtfrau. Kriminalgeschichten. Wolfbach Verlag, Zürich 2009. Fr. 34.-