Wer gegenwärtig auf der Galerie klettert, kann ein kleines botanisches Wunder erleben – falls er oder sie sich nicht nur für 7a und onsight interessieren.
Mit Tränen in den Augen sind wir vor einem Jahr über die von Baumaschinen zerstörte Kletteroase gestolpert, als die Galerie nach Monaten wieder zugäglich war. Eine Schutt- und Steinwüste, der ödeste Fleck der Welt und doch immer noch unser Kraftort, unser Sehnsuchtsort. Klettern halt, was sonst? Jedes kleinste Pflänzchen, das da zwischen Felsbrocken hervorspriesste, haben wir seither bewundert und beschworen. Einmal wand sich eine kleine Schlange die Wand entlang, letzthin blühte hoch oben eine Feuerlilie und die Eidechsen haben ohnehin alles überlebt. Gestern die Überraschung. Nach dem Regenfrühling ist aus der Wüste ein bunter Garten gewachsen, blaue Drachenköpfe und mannshohe gelbe Königskerzen blühen und wohl auch andere Blumen und Sträucher, deren Namen wir nicht kennen. Das Klettern geht so leicht an diesem kühlen Morgen, auch wenn unten auf der Strasse noch die Kompressoren rattern und die Teermaschinen rauchen und stinken. Was sind das für Zeiten, würde Berthold Brecht vielleicht klagen, wenn er noch lebte, was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Blumen fast ein Verbrechen ist… Vergessen wir den alten Moralprediger und die Untaten draussen in der Welt für ein paar Stunden. Die Blumen auf der Galerie sind doch fast ein Zeichen dafür, dass in dieser Zeit, wo vieles zerfällt, auch immer wieder etwas aufblüht.