Dolomites

Die Dolomiten, wie man sie noch kaum gesehen hat. Schwarzweiss fotografiert von einem Meister, der mit der Kamera malt. Mit Texten von Meistern und Meisterinnen der Feder, der Kunsthistorie, der Wissenschaft und des Kletterns. Ein Gesamtkunstwerk also. Fortsetzung folgt.

„Eine verkehrte Welt: Das groβe Dach der Westlichen Zinne ist im Grunde genommen eine auf den Kopf gestellte Riesentreppe. Wie ich es liebe, da mittendrin zu hängen! An den kleinen Leisten und drunter nur die Luft. Besser geht’s nicht. Und irgendwie gehört es zu den Nordwänden der Zinnen, dass dabei alles auch recht düster wirkt. Das ganze Umfeld steht im Licht, aber in den Nordwänden sieht die Welt ganz anders aus. In einem reduzierten Farbspektrum spricht hier vor allem die gewaltige Formation. Durch diese Reduktion sieht man ganz andere Details. Wie in den Bildern von Peter Mathis. Schwarz. Weiβ. Linien, Formen und sonst nichts. Da gibt es kein tiefes Rot beim Sonnenuntergang, aber umso mehr sieht man das, was die Dolomiten wirklich ausmacht. Die steilen Formen dieses einzigartigen Gebirges.“

Sagt ein Könner und Kenner über den andern. Sagt der deutsche Profibergsteiger und Ausnahmekletterer Alexander Huber über den österreichischen Profi- und Bergfotografen Peter Mathis. Und er macht es gekonnt, wie er da die Berge und die Bilder, die Formen und die Farben (oder eben Nicht-Farben) auf den Punkt bringt: Wo wir staunen, wie einer da die Überhänge hochklettert, und der andere dieses Gebirge reduziert auf Schwarzweiss und gerade dadurch (auf schönem Papier) zeigt, was jenes so einzigartig macht. Natürlich sehen wir auf den Fotos Huber nicht im Riesendach der Westlichen Zinne hängen, ja wir sehen nicht mal richtig das Dach. Weil Mathis die drei Zinnen so fotografiert hat, wie man sie noch kaum gesehen hat: an einem grau-nebligen Tag, wodurch die Zinnen noch abgehobener, noch unzugänglicher wirken. Eine Offenbarung in Grau. Auch das kann die Schwarz-Weiss-Fotografie, wenn sie einer so beherrscht wie Peter Mathis.

Und das tut er, mein Gott! 54 ganz- und 15 doppelseitige Fotos zeigen uns zweierlei. Einerseits eine grossartige Welt aus Fels, Fels und etwas Firn, aus Wolken und Wasser, aus Bäumen und Zäunen, auch aus Liftmasten, Geröllsäulen und Schilfstängel. Und andererseits hat sie da jemand grossartig erfasst und sozusagen mit der Kamera gemalt. „Visual Dualism – Dolomites“: So nennt Peter Mathis seinen neuen, grossformatigen Bildband. Ein sorgfältig konzipiertes, inszeniertes und gedrucktes Buch, worin die meistens quadratischen Fotos nicht zufällig dort stehen, wo sich grad eine Lücke ergibt, wie zwischen zwei Bergspitzen. Nein, der neue Mathis ist sozusagen ein Gesamtkunstwerk, inklusive Legenden, die in Englisch die Bildidee anspielungsreich weiterspinnen und in Italienisch die Location angeben. Was bei der doppelseitigen Foto mit Eiszapfen zu folgender Verdoppelung führt: „san pellegrino below zero – passo san pellegrino“. Hübsch, nicht wahr?

Der Grafiker und Buchgestalter Stefan Bundi, Profibergsteiger Alexander Huber, Stefan Fiedler von Digital Fine Art Printing in Wien, Neil Warner, Präsident der Vereinigung der Europäischen Berufsfotografen, Kunsthistorikerin Christiane Schmieger, Ulrike Tappeiner, Leiterin des Instituts für Alpine Umwelt, EURAC, Bozen und Dekanin der Fakultät für Biologie, Universität Innsbruck, sowie der für seine Schwarzweissfotos berühmte und mit Preisen geehrte Jürgen Winkler schrieben die Begleittexte. Die sind deutsch und englisch gesetzt, also auch hier eine Dualität. Wir freuen uns auf die Fortsetzung. Ein Folgeband zu einer weiteren Bergregion ist in Arbeit.

Peter Mathis: Visual Dualism – Dolomites. Fenkart Publishing, Hohenems 2012, Fr. 88.50.

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