Erfanden die Niederländer um 1660 unsere Berge? Vielleicht etwas mutig ausgedrückt. Aber die Holländer malten die Alpen auf neue, wegweisende Art. Mit dabei: der Zürcher Conrad Meyer. Mehr zu diesem Kulturaustausch im Kunstmuseum Winterthur und im Ausstellungskatalog.
I was born in a valley of bricks,
Where the river runs high above the rooftops.
I was waiting for the cars coming home late at night –
From the Dutch mountains.
So startet der Song “In the Dutch Mountains” im gleichnamigen Album, das die niederländische Band The Nits 1987 veröffentlichte. Seit knapp einem Monat sind die holländischen Berge im Kunstmuseum Winterthur zu sehen – jedoch weder die einen, an die sich die Songschreiber erinnern, noch die andern, die es in den Niederlanden ja tatsächlich geben soll (der höchste Hügel, der Vaalserberg, liegt immerhin 322 Meter über der Nordsee). Nein, Ausstellung und Katalog „Dutch Mountains. Vom holländischen Flachland in die Alpen“ beleuchten die Landschaftsmalerei vom 16. bis ins 19. Jahrhundert und zeigen, wie holländische Maler die Darstellung von Gebirge neu kreierten, zuerst in Ideallandschaften, denen keine oder nur vereinzelt reale Natur zu Grunde lagen. Aber vor allem mit Jan Hackaert (1628–1690) begann eine ganz neue Ära, indem er zeichnete und malte, was er draussen sah. 1655 bereiste er die Schweiz im Auftrag des Amsterdamers Rechtsanwaltes Laurens von der Hem und schuf 40 grossformatige, wirklichkeitsgetreue Zeichnungen der Schweizer Gebirgslandschaft. Er war aber nicht alleine unterwegs; in Zürich lernte er nämlich den einheimischen Künstler Conrad Meyer (1618–1689) kennen, und gemeinsam zeichneten und aquarellierten sie am Zürichsee und in den Glarner Alpen. Faszinierend zu sehen, wie sich ihre Werke gleichen und doch nicht. Um 1660 malten dann sowohl Meyer wie Hackaert grosse Ölgemälde mit Bergen, der eine vom Gonzen ob Sargans, der andere von den Glarner Alpen am Horizont ob dem Zürichsee.
Überhaupt dieser Conrad Meyer: Da wäre eine grosse Ausstellung fällig. Immerhin sind in Ausstellung und Katalog elf seiner Werke zu bewundern. Namensvetter Felix Meyer (1653–1713) hat ebenfalls einen schönen Auftritt; bei seinem um 1700 entstandenen Ölbild „Berglandschaft mit See (Oeschinensee)“ dürfte es sich um das erste Gemälde dieses beliebten Sees am Fuss von Blüemlisalp und Doldenhorn handeln, auch wenn sich da Phantasie und Realität bei der Felsdarstellung noch etwas gar mischen. Da ist Caspar Wolfs „Das Oeschinental bei Kandersteg“ von 1777 realistischer und dramatischer zugleich – Wolf ist halt ein unerreichter Meister seines Fachs, genauso wie auf seine Art Alexandre Calame; er malt den Schlusspunkt der „Dutch Mountains“. Spannend zu sehen und zu lesen ist nun aber, wie die Gebirgsdarstellungen berühmter Schweizer Kunstmaler niederländische Wurzeln und Einflüsse haben. Eben: Vom holländischen Flachland in die Alpen. Ein Kulturaustausch entlang des Rheins, davon auch später noch die Rede sein wird. In der Erzählung „Wie die Berge in die Schweiz kamen“ berichtet Franz Hohler im Jahr 2000, wie Benedikt Matter den Holländern vorschlug, ihre Gipfel gegen die helvetischen Tulpen zu tauschen. Und so „nannte man den schönsten Berg in der Schweiz zu seinen Ehren das MATTERHORN.“ Schade eigentlich, dass Jan Hackaert nicht auch nach Zermatt gereist ist; dann hätte er bestimmt das erste Bild dieser Felspyramide gemalt.
Vom Malen singen The Nits in ihrer zweiten Strophe:
I met a woman in the valley of stone,
She was painting roses on the walls of her home.
And the moon is a coin with the head of the queen –
Of the Dutch mountains.
Dutch Mountains. Vom holländischen Flachland in die Alpen. Herausgegeben von Konrad Bitterli, Andrea Lutz und David Schmidhauser. Hirmer Verlag, München 2018, € 30.- Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Kunst Museum Winterthur vom 7. Juli 2018 bis 20. Januar 2019. www.hirmerverlag.de, www.kmw.ch